Studienverbleib und -abbruch im Lehramt für die Sekundarstufe I – Statistische Analysen vor dem Hintergrund des Lehrkräftemangels

Gollub, P., Schultes, P. & Holle, J.

Zusammenfassung

Die Gewinnung neuer Lehrkräfte gestaltet sich trotz der starken medialen Präsenz des Lehrkräftemangels als enorme Herausforderung (Gollub, Zorn & Kruse, 2024). Besonders großer Bedarf besteht nach Lehrkräften für die Schulformen der Sekundarstufe I. So prognostiziert die KMK für diese Schulformen rund 50.000 fehlende passgenau ausgebildete Lehrkräfte bis 2035; dies entspricht knapp der Hälfte des Gesamtbedarfs (KMK, 2023). Während das CHE (2023) in seiner Übersicht über die Entwicklung von Studienanfänger*innenzahlen das Lehramtsstudium nicht berücksichtigt, führt das Statistische Bundesamt in seinen jährlichen Veröffentlichungen zwar Statistik über Lehramtsstudierende, es fehlt allerdings eine Trennung nach Lehrämtern. Neben den Einschreibezahlen sind auch die Absolvent*innenquoten von zentraler Bedeutung, um analysieren zu können, wie viele der Studienanfänger:innen das Studium (in Regelstudienzeit) abgeschlossen haben. Zu dieser Thematik liegen gegenwärtig nur wenige Studien vor (z. B. Güldener et al., 2020), oft handelt es sich dabei um quantitative Studien mit relativ geringen Fallzahlen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es kaum Forschung dazu gibt, wie viele Studierende welchen Lehramtstyp mit welchen Studienfächern studieren, wie sich deren Zahlen in den letzten Jahren verändert haben und wie hoch der Anteil derer ist, die ihr Lehramtsstudium ohne Abschluss beenden. Im Beitrag werden diese Fragen aufgenommen und auf Lehramtsstudiengänge für die Sekundarstufe I im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) bezogen, indem… I. die Studierenden- und Studienanfänger*innenzahlen der letzten Jahre nachgezeichnet, II. die Schwundquoten für Lehramtsstudiengänge der Sekundarstufe I skizziert und III. die Schwierigkeiten für das Treffen spezifischer Aussagen mit Blick auf die Struktur des Lehramtsstudiums in NRW diskutiert werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Lehramtsstudium der Sekundarstufe I deutlich stärker von sinkenden Einschreibezahlen betroffen ist als das Statistischen Bundesamt für das Lehramtsstudium insgesamt berechnet. So beträgt der Rückgang vom Studienjahr 2020 zum Studienjahr 2022 im Bereich der Sekundarstufe I in NRW über 20%, während über alle Lehrämter in Deutschland hinweg hingegen nur rund 13% Rückgang zu verzeichnen sind.  Außerdem zeigt sich, dass zwischen einem Drittel und der Hälfte der Studierenden noch vor Ende der Regelstudienzeit aus ihrem Studiengang ausscheiden. Datenbasierte, valide Aussagen sind allerdings mit der Herausforderung verbunden, dass die verschiedenen lehramtsbildenden Hochschulen in NRW in sehr unterschiedlichem Maße auf polyvalente Studiengänge setzen und das Land daher keine belastbaren Statistiken zu Lehramtsstudierenden mehr veröffentlicht. Wir stellen im Beitrag einen Ansatz vor, mit dem der bislang unzureichenden lehramtsspezifischen Beforschung von Studienerfolg entgegengewirkt werden soll. Mit dem Projekt „Längsschnittliche Erhebung des Lehramts für die Sekundarstufe I - LESek I“ wird das Ziel verfolgt, eine Studienkohorte von Sekundarstufe I-Studierenden an der Universität Münster im Längsschnitt während des Bachelors zu begleiten und multithematisch zu befragen, um so die individuellen Gründe für Studienabbruch und -verbleib zu eruieren. Das Mixed-Method-Design implementiert dabei theoretische Überlegungen zum Studienabbruch, wie z. B. Konzepte der sozialen und akademischen Integration (Tinto, 1975) und psychologische Ansätze zum Zusammenspiel von Merkmalen der Persönlichkeit und Lehr- und Lernbedingungen (Sarcletti & Müller, 2011).