Führt Lesefreude zu Lesekompetenz? Empirische Befunde zu unterschiedlichen Ansätzen der Leseförderung [Does reading enjoyment lead to reading literacy? Empirical findings on different approaches to reading promotion]

Mentel, Henrike; Aust, Larissa; Ehlert, Mareike; Thomas, Laura; Souvignier, Elmar

Übersichtsartikel (Buchbeitrag) | Peer reviewed

Zusammenfassung

Wenn die Ergebnisse zu den Lesekompetenzen deutscher Schüler*innen im Rahmen der PISA- und der IGLU-Studie diskutiert werden, wird typischerweise auf die geringe Lesemotivation als ursächlichen Faktor hingewiesen. Auch entsprechende Stiftungen und Verbände setzen primär auf die Bedeutung der Lesemotivation und eine Internet-Recherche zu Leseförderung führt unter den ersten Treffern auf die Stichworte "Freude am Lesen wecken" und "Tricks für mehr Motivation und Spaß am Lesen". Auch bei Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Lesen werden typischerweise als Ansatzpunkte zur Leseförderung zunächst Bibliotheksbesuche, kuschelige Leseecken, Vorleseangebote und ähnliche Maßnahmen genannt. Evidenzbasierte Methoden zur Förderung von Lesekompetenzen (strategieorientierte Förderung, Lautleseverfahren, silbenbasiertes Lesen) tauchen hingegen kaum auf. Wie sieht die empirische Befundlage aus? Längsschnittliche Studien (cross-lagged-panel Analysen) weisen darauf hin, dass bei der gegenseitigen Beeinflussung von Lesekompetenzen und Lesemotivation die Lesekompetenzen der bedeutsam stärkere Prädiktor für die wechselseitigen Beeinflussungen sind. Motivationspsychologisch ist das nicht erstaunlich: Motivation entsteht durch Erfolgserlebnisse. Und: Interventionsstudien zur Leseförderung zeigen, dass Methoden zur Förderung von Lesekompetenzen wirken, während die Bereitstellung von Lesezeit im Unterricht nicht mit positiven Effekten einhergeht. Auch motivationsförderliche Ergänzungen von Programmen zur Förderung der Lesekompetenz bewirken in der Regel keine zusätzlichen Effekte. Die Bestandsaufnahme empirischer Befunde macht deutlich, dass die in der schulischen Praxis allzu einseitig verbreitete Perspektive, dass Leseförderung durch Motivation zu erzielen ist, durch eine kompetenzorientierte Sichtweise ergänzt werden sollte. Dabei wird empfohlen, eine systematische schulische Förderung von Lesekompetenzen mit motivierenden Angeboten für das Lesen in der Freizeit zu verknüpfen.

Details zur Publikation

Herausgeber*innenSteins, Gisela; Spinath, Birgit; Dutke, Stephan; Roth, Marcus; Limbourg, Maria
BuchtitelMythen, Fehlvorstellungen, Fehlkonzepte und Irrtümer in Schule und Unterricht. Psychologie in Bildung und Erziehung: Vom Wissen zum Handeln
Seitenbereich135-155
VerlagSpringer
ErscheinungsortWiesbaden
StatusVeröffentlicht
Veröffentlichungsjahr2022
Sprache, in der die Publikation verfasst istDeutsch
ISBN978-3-658-36259-1
DOI10.1007/978-3-..-36260-7_7
Link zum Volltexthttps://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-36260-7_7
StichwörterLesen; Lesefertigkeiten; Motivation; Leseunterricht; Kompetenz; Lesefähigkeit; Strategien

Autor*innen der Universität Münster

Aust, Larissa
Professur für Diagnostik und Evaluation im schulischen Kontext (Prof. Souvignier)
Ehlert, Mareike
Professur für Diagnostik und Evaluation im schulischen Kontext (Prof. Souvignier)
Mentel, Henrike
Professur für Diagnostik und Evaluation im schulischen Kontext (Prof. Souvignier)
Souvignier, Elmar
Professur für Diagnostik und Evaluation im schulischen Kontext (Prof. Souvignier)