Päuler-Kuppinger Lena, Jucks R
Abstract in digital collection (conference) | Peer reviewedAkademische Disziplinen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer epistemologischen Charakteristika (Muis, Bendixen & Haerle, 2006) und werden entsprechend dieser Charakteristika oft in „harte“, mathematisch-naturwissenschaftliche (MINT), und „weiche“ Disziplinen, Geistes- und Sozialwissenschaften (GESO), unterschieden. MINT-Fächer wie Chemie oder Physik widmen sich häufiger mit quantitativen Methoden der Ableitung von allgemein gültigen Aussagen. Das Wissen in diesen Fachkulturen gilt als kumulativ und disparat strukturiert. GESO-Fächer wie Geschichte oder Politikwissenschaften werden als qualitativ, sich ständig wiederholend und mit Einzelheiten befassend beschrieben. (Neumann, Parry & Becher, 2002) Diese fachspezifischen Eigenschaften beeinflussen neben Forschungsmethoden und Vorstellungen über Wissen und Wissenserwerb auch Lehransätze bzw. die Vorstellungen darüber, was gute Lehre ausmacht (Päuler & Jucks, in preparation). Die vorliegende Studie thematisiert Lehrorientierungen von Lehrenden und Studierenden unterschiedlicher Fachdisziplinen und adressiert die folgenden beiden Fragestellungen: (1) Wie unterscheiden sich Lehrvorstellungen von Lehrenden und Studierenden der Fachgruppe MINT und der Fachgruppe GESO? (2) Wie unterscheiden sich die Lehrorientierungen zwischen den Statusgruppen? Hinsichtlich der ersten Fragestellung weisen bisherige Studien deutliche Unterschiede aus: Lehrende weicher Fächer weisen eine größere Studierendenorientierung auf als Lehrende harter Fächer, die ihrerseits stärker traditionelle lehrendenorientierte Lehrvorstellung haben (z.B. Lindblom-Ylänne, Trigwell, Nevgi & Ashwin, 2006; Lübeck, 2010, Lueddeke, 2003). In einer qualitativen Studie wurde gefunden, dass die Lehrpräferenzen von Studierenden sich in ähnlicher Weise zwischen den Fachgruppen unterscheiden (Parpala, Lindblom-Ylänne & Rytkönen, 2011). Die zweite Fragestellung ist relevant, da Kongruenz zwischen den Lehrvorstellungen Lehrender und Studierender als wesentlicher Faktor für effektive Lehr-Lern-Prozesse gilt (Vermunt & Verloop). Virtanen & Lindblom-Ylänne (2010) fanden jedoch substantielle Unterschiede zwischen den Lehrorientierungen Lehrender und Studierender der Biowissenschaften. Während für Hochschullehrende die Reflexion von Lehrvorstellungen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Professionalisierung ist (Amundsen & Wilson, 2012), sind Studierende hier vermutlich weniger reflektiert und tendieren daher möglicherweise stärker zu traditionellen, lehrendenorientierten Vorstellungen. Zur Beantwortung der vorliegenden Fragestellungen wurde sowohl ein qualitativer als auch ein quantitativer Ansatz verfolgt. 160 Lehrende und 309 Studierende aus unterschiedlichen Fachdisziplinen verschiedener deutscher Universitäten bearbeiteten das Approaches to Teaching Inventory (ATI-R, Trigwell, Prosser & Ginns, 2005). Diese quantitativen Daten wurden hinsichtlich fach- und statusgruppen- sowie ausgewählter fachspezifischer Unterschiede analysiert. Darüber hinaus führte ein Teil der Lehrenden und Studierenden den Satzanfang „Für gute Lehre ist es aus meiner Sicht wichtig, dass...“ fort. Diese qualitativen Daten wurden vor dem Hintergrund der Lehrenden- und Studierendenorientierung inhaltsanalytisch (Mayring, 2010) ausgewertet (Päuler & Jucks, 2013). Eine multivariate Varianzanalyse (MANOVA) mit den between-subject Faktoren Fachgruppe (MINT vs. GESO) und Statusgruppe (Lehrende vs. Studierende) sowie den Skalen des ATI (Lehrenden- und Studierendenfokus) als abhängigen Variablen ergab, dass Mitglieder der MINT-Fächer und Studierende einen höheren Lehrendenfokus und geringeren Studierendenfokus zeigten als Mitglieder der GESO bzw. Lehrende. Der Statusgruppenunterschied wurde unter Berücksichtigung der Kovariaten Geschlecht und Alter jedoch nicht mehr signifikant. Eine zweite MANOVA mit einem Subset aus jeweils drei MINT- und GESO-Fächern, für die n > 30 galt, ergab auch zwischen einzelnen Fächern Unterschiede: Mitglieder des Faches Geschichte wiesen im Vergleich zu Mitgliedern der Germanistik, der Mathematik, der Chemie und der Physik einen niedrigeren Lehrendenfokus auf, keine Unterschiede bestanden zu der Vorstellung von Mitgliedern der Politikwissenschaften. Innerhalb des Studierendenfokus wiesen Mitglieder aller drei Geistes- und Sozialwissenschaften signifikant höhere Werte auf als Mitglieder der drei MINT-Fächer. Die qualitativen Daten aus der Fortführung des o.g. Satzanfanges wurden ebenfalls vor dem Hintergrund der Lehrenden- und Studierendenorientierung ausgewertet (Päuler & Jucks, 2013). Studierende wiesen auch hier stärker als Lehrende eine Lehrendenorientierung auf, die Studierendenorientierung war hingegen bei Lehrenden stärker ausgeprägt. Innerhalb der Studierendenstichprobe zeigten sich darüber hinaus Unterschiede zwischen den Fachgruppen MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) und GESO (Geistes- und Sozialwissenschaften), die jedoch nicht einheitlich zu interpretieren waren. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund hochschuldidaktischer Professionalisierung und ihrer Relevanz für die Lehrpraxis diskutiert.
Jucks, Regina | Center for Higher Education (ZHL) |
Päuler-Kuppinger, Lena | Professorship for Social Psychology in Teaching and Education (Prof. Jucks) |