Medienkompetenzen und digitale Bildung als Herausforderungen der Lehrer*innenbildung: Studentische Erfahrungen und Perspektiven aus dem MEDAL-Projekt
Grunddaten zum Vortrag
Art des Vortrags: wissenschaftlicher Vortrag
Name der Vortragenden: Paulus, David; Veber, Marcel; Gollub, Patrick; Reintjes, Christian; Porsch, Raphaela
Datum des Vortrags: 11.03.2022
Vortragssprache: Deutsch
Informationen zur Veranstaltung
Name der Veranstaltung: 9. GEBF-Tagung "Alles auf Anfang? Bildung im digitalen Wandel
Zeitraum der Veranstaltung: 09.03.2022 - 11.03.2022
Ort der Veranstaltung: Bamberg
Zusammenfassung
Die Digitalisierung durchdringt alle bisherigen Techniken der Aneignung von Wissen und hat Auswirkungen auf die Bildungsinstitutionen. Folglich sind pädagogische Medienkompetenzen für Lehrer*innen aller Schulformen und Unterrichtsfächer unabdingbar, um qualitätsvolle Lerngelegenheiten im Unterricht anzubieten, die auch die adäquate Nutzung digitaler Medien umfassen. Schließlich ist für junge Menschen der Erwerb von Medienkompetenzen relevant zur Teilhabe an Gesellschaft, für den Zugang zu (digitalen) Informationen sowie zur Gestaltung von selbstständigen und individualisierten Lernprozessen. Daraus ergibt sich, dass die Digitalisierung der Schulen und Hochschulen eine drängende Herausforderung des Bildungssystems ist. Curricular liegen auf nationaler Ebene Dokumente vor, die die Implementation von Lerngelegenheiten zum Erwerb pädagogischer Medienkompetenzen in der Lehramtsausbildung vorsehen. Anforderungen für die Lehrer*innenbildung wurden in den überarbeiteten „Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften" (KMK, 2004/2019) formuliert. Daneben finden sich Vorgaben im KMK-Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt" (2016/2017) sowie in den „Empfehlungen zur Digitalisierung in der Hochschullehre" der KMK (2019). Empirische Arbeiten wie die ICILS-Studie (Gerick & Eickelmann, 2020) deuten darauf hin, dass Lehrkräfte nicht ausreichend Lerngelegenheiten im Studium hatten, um umfassend pädagogische Medienkompetenzen zu erwerben. Ergebnisse einer Curriculumanalyse zeigen, dass die Medienbildung in der Lehrer*innenbildung zwar an Bedeutung gewonnen hat, aber flächendeckend noch kein fester Bestandteil der Ausbildungsordnungen ist (vgl. Reintjes et al., 2021). Empirische Studien zu pädagogischen Medienkompetenzen von Lehramtsstudierenden waren vor der Pandemie weitgehend ein Desiderat der Lehrerbildungsforschung (Ausnahme: Rubach & Lazarides, 2019). Auf Basis der „Standards für die Lehrerbildung" (KMK, 2004/2019) wurden in 2020 pädagogische Medienkompetenzen angehender Lehrpersonen und ICT-Beliefs in Deutschland, Österreich und der Schweiz längsschnittlich untersucht. An der MEDAL-Studie haben 996 (Messzeitpunkt 1) bzw. 272 (Messzeitpunkt 2) Lehramtsstudierende teilgenommen (vgl. Paulus et al, 2021; Porsch et al, 2021; Reintjes et al, 2021). Es wurde u.a gefragt, ob sich die (selbsteingeschätzten) Medienkompetenzen und ICT-Beliefs während eines sog. „digitalen Semesters" steigern. Zudem wurde ermittelt, welche Faktoren Unterschiede in den pädagogischen Medienkompetenzen und ICT-Beliefs erklären können. Mithilfe der Daten aus dem Projekt MEDAL („Medienkompetenzen angehender Lehrkräfte") werden folgende Fragen beantwortet: 1. Lassen sich Unterschiede von (selbsteingeschätzten) pädagogischen Medienkompetenzen angehender Lehrkräfte durch ihre Technikakzeptanz, Technikkompetenzüberzeugungen, ihre ICT-Beliefs und Lerngelegenheiten erklären? 2. Wie ausgeprägt sind die ICT-Beliefs und verändern sich diese im Verlauf eines Semesters, in dem vorrangig Lehre mit digitalen Medien stattfand? 3. Wie ausgeprägt sind die (selbsteingeschätzten) pädagogischen Medienkompetenzen und verändern sich diese bei angehenden Lehrkräften im Verlauf eines Semesters, in dem vorrangig Lehre mit digitalen Medien stattfand? 4. (4) Was ist Lehramtsstudierenden in Bezug auf (pädagogische) Medienkompetenzen wichtig? Welchen Aspekten verleihen die Befragten Bedeutsamkeit, indem sie diese im Rahmen einer freiwilligen Teilnahme äußern? Die Antworten auf die abschließend gestellte, offene Frage wurden, anknüpfend an Überlegungen der Grounded Theory Methodology und dem Framework Qualitative Inhaltsanalyse, durch induktiv-rekonstruktive Kategorienbildung erschlossen. Die Ergebnisse zeigen, dass keine substanziellen Veränderungen in Bezug auf die Ausprägung der pädagogischen Medienkompetenzen auszumachen sind. Dieser Befund kann mit nicht ausreichenden Lerngelegenheiten im „digitalen Semester" erklärt werden, da eher von einem „konsumierenden" Medienverhalten auszugehen ist. Das scheint insbesondere für angehende Lehrpersonen aus Deutschland zu gelten, die signifikant von weniger medienbezogenen Lerngelegenheiten berichten und sich im trinationalen Vergleich als am geringsten medienkompetent einschätzen. Darauf deuten auch die Rekonstruktionen der Äußerungen auf die vierte Frage hin, die einen „Digitalisierungsschock" unter den Lehramtsstudierenden erahnen lassen. Diese befürchten, die Innovationserwartungen an sie als „digital natives" nicht adäquat erfüllen zu können. Insgesamt signalisieren die Ergebnisse einen erheblichen Professionalisierungsbedarf angehender Lehrpersonen, die auch mit begrenzter Digitalisierung der Hochschullehre plausibilisiert werden können. Vor diesem Hintergrund diskutiert der Beitrag, wie der Erwerb pädagogischer Medienkompetenzen in der Lehrer*innenbildung unterstützt werden kann. Konsensual erscheint, dass systematische Lerngelegenheiten in die Hochschulpraxis (aber auch in schulpraktischen Studien) integriert werden, sodass die Studierenden Medienkompetenzen in fachspezifischen Kontexten erproben und Gestaltungsmöglichkeiten hochschuldidaktisch gerahmt werden.
Stichwörter: Digitalisierung; Hochschulbildung; Lehrerbildung; Medienkompetenzen
Vortragende der Universität Münster