Reintjes Ch, Porsch R, Görich K, Gollub P, Paulus D, Veber M
Forschungsartikel (Buchbeitrag) | Peer reviewedDigitale Medien sind fester Bestandteil in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und für die berufliche Praxis von hoher Bedeutung. Die Förderung des kritischen und kompetenten Umgangs mit Medien zur Teilhabe an der Gesellschaft und zum lebenslangen Lernen stellt mehr denn je eine zentrale Bildungsaufgabe dar. Damit Lehrkräfte mithilfe digitaler Medien Lehr-Lernprozesse gestalten können, bedarf es der strukturierten Implementation von Lerngelegenheiten in der Lehrerbildung. Zu den Aufgabenfeldern für Veranstaltungen gehören u. a. die Vermittlung von Kompetenzen zur Nutzung von Medien bzw. digitalen Lernumgebungen für das Lehren und Lernen sowie Wissen zur Entwicklung schulspezifischer Konzepte zur Medienbildung (vgl. Tulodziecki, Herzig & Grafe, 2019, S. 363). Die ICILS-Studie 2018 gibt über die retrospektive Wahrnehmung von Lerngelegenheiten in der Lehramtsausbildung aus Sicht von Lehrkräften in Deutschland Auskunft (vgl. Gerick & Eickelmann, 2020). Danach gaben ca. 43 Prozent der unter 40 Jahre alten Lehrkräfte an, dass sie in der Ausbildung gelernt haben, wie man digitale Medien nutzt und ca. 46 Prozent, wie man digitale Medien im Unterricht verwendet. Der Anteil ist jedoch mit jeweils 16 Prozent bei Lehrer*innen im Alter von mindestens 40 Jahren deutlich geringer. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Lehrer*innen in Deutschland rückblickend auf ihre Ausbildung noch nicht ausreichend auf diese Aufgabe vorbereitet fühlen. Die Studie deckt darüber hinaus einen positiven Zusammenhang zwischen den spezifischen Lerngelegenheiten in der Ausbildung sowie den selbsteingeschätzten digitalisierungsbezogenen Kompetenzen der Lehrer*innen auf(vgl. ebd., S. 98).Die Schließung von Hochschulen und Schulen und die damit verbundene (fast) ausschließliche Nutzung digitaler Lehr-Lernformate während der Corona-Krise im Frühjahr 2020 haben erneut die Notwendigkeit des Erwerbs digitaler Kompetenzen bei Lehrkräften, Lehrerbildner*innen und angehenden Lehrkräften verdeutlicht. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit eine Kohärenz des intendierten und implementierten Curriculums für zukünftige Lehrkräfte vorliegt, wobei im geplanten Beitrag neben Deutschland die Situation in der Schweiz und Österreich in den Blick genommen werden soll. Konkret werden folgende Forschungsfragen beantwortet: In welchem Ausmaß schätzen sich Lehramtsstudierende in Deutschland, Österreich und der Schweiz als medienkompetent in Bezug auf das Lehrerhandeln ein? Liegen statistisch signifikante Unterschiede zwischen den drei deutschsprachigen Ländern vor? Von welchen Lerngelegenheiten* zur Ausbildung ihrer professionsbezogenen Medienkompetenzen berichten Lehramtsstudierende (in den verschiedenen Ländern)? Lassen sich Unterschiede in den berichteten Medienkompetenzen durch die Landeszugehörigkeit und die Lerngelegenheiten der Studierenden erklären?Einführend soll im ersten Teil die Frage beantwortet werden, inwieweit Medienbildung als Aufgabe der Lehrerbildung in der hochschulischen Ausbildung in den drei Ländern curricular verankert ist. Um die curricularen Voraussetzungen zu bestimmen, werden für die Deutschland die Anforderungen gemäß den „Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften“ (KMK, 2004/2019) zusammengefasst. Für die Schweiz (EDK, 2018) sowie für Österreich (BMBWF, o. J.) soll die Digitalisierungsstrategie für das Bildungswesen skizziert werden. Zusätzlich findet für jedes Land jeweils für einen Hochschulstandort eine Analyse der Modulbeschreibungen statt.Anschließend wird die Bedeutung von Medienbildung in der Ausbildungspraxis aus Sicht von Lehramtsstudierenden mithilfe von Befunden der MEDAL-Studie („Medienkompetenzen angehender Lehrkräfte“) berichtet. Dazu wurden im April 2020 aus den drei deutschsprachigen Ländern 1.342 Studierende zu ihren professionsbezogenen Medienkompetenzen und Lerngelegenheiten mithilfe eines Online-Instruments befragt. Die für die Berufsausübung notwendigen Medienkompetenzen sollten mithilfe von 30 Items eingeschätzt werden. Diese waren auf Grundlage der „Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften“ (KMK, 2004/2019)entwickelt worden. Zudem wurden die Lerngelegenheiten in einem offenen und geschlossenen Format von den Studierenden erfragt. Da sich die Items bzw. beschriebenen Kompetenzen erwartbar in ihrer Schwierigkeit unterscheiden, wird eine Skalierung mithilfe der probabilistischen Testtheorie vorgenommen (Partial-Credit-Modell). Mithilfe der qualitativ-rekonstruktiven Auswertung der offenen Angaben zu den Lerngelegenheiten im Studium und durch Darstellung einzelner Fallbeispiele werden die Kompetenzstufen illustriert. Zudem wird eine mehrfaktorielle Varianzanalyse (MANOVA) berechnet, um zu ermitteln, ob statistisch signifikante Gruppen- bzw. Länderunterschiede unter Berücksichtigung der Lerngelegenheiten vorliegen. Wir erwarten, dass sich in Analogie zur ICILS-Studie 2018 Unterschiede in den selbsteingeschätzten Kompetenzen u.a. durch die Lerngelegenheiten erklären lassen. Länderunterschiede sollen explorativ untersucht werden. Die Ergebnisse geben ersten Aufschluss über die Kohärenz zwischen den curricularen Vorgaben, den Modulbeschreibungen und den tatsächlich implementierten Curricula in den deutschsprachigen Ländern. Nach einer Diskussion der Ergebnisse sollen abschließend Vorschläge zur Schaffung von Kohärenz erörtert sowie Grenzen der Studie aufgezeigt werden.
Gollub, Patrick | Institut für Erziehungswissenschaft (IfE) Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung (Prof. Rothland) |
Paulus, David | Institut für Erziehungswissenschaft (IfE) |