Li Deyu (787–850). (Zivil-)Religion, Politik und Biographie
Grunddaten zum Promotionsverfahren
Promotionsverfahren erfolgt(e) an: Promotionsverfahren an der Universität Münster
Zeitraum: 01.04.2009 - 04.03.2013
Status: abgeschlossen
Promovend*in: Höckelmann, Michael
Promotionsfach: Sinologie
Abschlussgrad: Dr. phil.
Verleihender Fachbereich: Fachbereich 09 - Philologie
Betreuer*innen: Emmerich, Reinhard; Schmidt-Glintzer, Helwig
Beschreibung
China wird oft und gern als „avant la lettre säkular“ (J. Casanova) angesehen. Doch wie sah das Verhältnis von Religion und Politik in der historischen Realität, z.B. während der Blütezeit des chinesischen Buddhismus unter der Tang (oder T’ang)-Dynastie (618-907), aus? Gab es so etwas wie eine säkulare, ruistische (oder konfuzianische) Orthodoxie/Orthopraxie bzw. „Zivilreligion“ (H. Seiwert), die dem Religiösen in Gestalt von „Ismen“ wie Buddhismus, Daoismus, der fangshi („esoterische Experten“), der Volksreligion oder einer „diffuse religion“ (C.K. Yang) aus Ahnenkult, Jenseitsvorstellungen, Mantik etc. gegenüberstand? Meine Arbeit ist angesiedelt im Zeitfenster zwischen der Proskription des Buddhismus und anderer als ausländisch eingestufter Religionen unter Kaiser Wuzong (reg. 840-846) und der anschließenden Restitution unter Xuanzong (reg. 846-859). Ihr liegen die 48 „Essays“ oder „Kritiken“ (lun) des Kanzlers Li Deyu (787–ca. 850), enthalten in dessen Spätwerk, den Qiong chou zhi (Aufzeichnungen von Erschöpfung und Gram), zugrunde. Diese Kritiken handeln von fangshi, Totenfolge im antiken China, dem Konvertiten-Kaiser Liang Wudi (reg. 502-549) u.ä. Darüber hinaus verfasste Li Protestnoten an den Kaiser gegen die Berufung von Daoisten an den Hof und die private Ordination von buddhistischen Mönchen und Nonnen, zur Funktion und Struktur des kaiserlichen Ahnentempels – und er beglückwünschte seinen Kaiser zur Zerstörung von Klöstern. Außerdem ist er vermutlich der Autor des Edikts von 845, mit dem Kaiser Wuzong den Höhepunkt und Abschluss der Proskription signalisierte. Literatur- und kulturvergleichend faszinierend ist Lis Gebrauch von Zitaten aus kanonischen, historiographischen und anderen Quellen wie Zuozhuan (Tradition des Zuo – ein kanonischer „Kommentar“ zu den Frühling- und Herbstannalen) und Hanshu (Buch der Han – ein kanonisches Geschichtswerk zur Dynastie Westliche Han, 202 v.Chr. – 9 n.Chr.), um Ketten von Argumenten zu konstruieren. Fast keines seiner Werke ist in eine moderne Sprache übersetzt. Auf theoretischer Seite vertrete ich die These, dass es im kaiserlichen China spätestens seit der Östlichen Han (9 – 220) nicht ein eigenständiges religiöses Feld, sondern mehrere, von Buddhisten, Daoisten, fangshi etc. ausgefüllte religiöse Felder gab, aber nur ein literarisch-(d.h. durch Schriftlichkeit bestimmtes)politisches Feld, das sich im normativen Dreieck von Kaiser, ruistischem Kanon und Literatenbeamten (und -anwärtern) ausbildete. In das literarisch-politische Feld drang das zweifellos stets existente Religiöse im Laufe der Geschichte ununterbrochen ein, doch ließ es sich entweder in das literarisch-politische Feld integrieren oder wurde aus diesem exkludiert. Gewalt zwischen der ruistisch gebildeten Literatenbeamtenschaft auf der einen Seite und buddhistischen und daoistischen Klerikern sowie fangshi auf der anderen lassen sich als Schließungsprozesse im literarisch-politischen Feld erklären, nicht als „Konkurrenz um die Verwaltung der Heilsgüter“ (P. Bourdieu).
Promovend*in an der Universität Münster
Betreuung an der Universität Münster
Projekte in denen das Promotionsverfahren erfolgt(e)
Laufzeit: 01.11.2007 - 31.10.2012 | 1. Förderperiode Gefördert durch: DFG - Exzellenzcluster Art des Projekts: DFG-Hauptprojekt koordiniert an der Universität Münster |
Publikationen im Promotionsverfahren entstanden
Hoeckelmann Michael (2010) In: Bochumer Jahrbuch zur Ostasienforschung, 34 Art der Publikation: Forschungsartikel (Zeitschrift) |
Preisverleihungen erhalten für Promotion