Dem christlichen Mittelalter als Inbegriff vormoderner Religiosität ist religiöse Pluralität und Dynamik lange abgesprochen worden. Tatsächlich schien ihm sogar eine abstrakte Konzeption von 'Religionen' zu fehlen. Doch um den Begriff der religiones, der im Spätmittelalter zumeist 'Orden' oder 'religiöse Lebensformen' bezeichnet, entstand durchaus ein Diskurs religiöser Diversität - allerdings zunächst stark polemisch und auf innerchristliche Vielfalt bezogen. Das Projekt widmet sich dieser innerchristlichen Polemik, die sich als zunehmend verflochten mit Argumenten gegen Häretiker, Heiden, Juden und Muslime erweist und so letztlich doch eine Grundlage der Wahrnehmung von 'Religionen'bildet. Wie sich gut am Beispiel der Geschlechtermoral zeigen lässt, scheint sich im 13. Jahrhundert ein Wissensarchiv zur Religionswahrnehmung zu formieren, das bis weit in die Neuzeit als Bezugspunkt religiöser Polemiken diente. Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen die argumentativen Repertoires des 13. Jahrhunderts in ihrer Konstitution erforscht und für vergleichende Forschungen lesbar gemacht werden, um sie als Faktor religionsgeschichtlicher Dynamik würdigen zu können.
Steckel, Sita | Professorship of history of the high and late middle ages (Prof. Steckel) |
Steckel, Sita | Professorship of history of the high and late middle ages (Prof. Steckel) |