Ernst, Stefanie
Forschungsartikel (Buchbeitrag) | Peer reviewedSteven Pinker argumentierte jüngst, dass Frauen als „better angels of our nature“ evolutionstheoretisch eine besondere, zivilisierende Kraft beim Rückgang der Gewalt gespielt hätten. Diese romantisierende These zeigt einmal mehr, dass kaum ein Thema die Gemüter so sehr zu erhitzen vermag wie die Debatte um die Geschlechterbeziehungen. Obwohl oder weil die „letzten Tage des Patriarchats“ gezählt sein sollen, scheint untergründig Einigkeit in der Diagnose eines jahrtausendealten Patriarchats zu bestehen. Übersehen werden dabei jedoch die Vor- und Rückschübe in den relational und vielfältig zu verstehenden Geschlechterbeziehungen, die sowohl Persistenzen als auch enorme Dynamiken aufweisen. Mit der Informalisierung- und Formalisierungsthese und seiner figurationalen Machttheorie lässt sich diese zentrale, jedoch vernachlässigte Frage angehen. Zunächst wird der prozesstheoretischen Zugriff rekonstruiert, um ihn dann zur Erforschung mittel- und langfristiger Dynamiken der Geschlechterbalancen anhand der verzahnten Sphären Privatheit und Öffentlichkeit weiterzuentwickeln. Dabei stehen Ambivalenzen im Fokus, die auf verborgene Machtkämpfe statt ‘natürlicher Differenzen‘ verweisen. Diese Prozessperspektive liefert eine exemplarische Synthese, um die interdependente Einbettung von Geschlecht, Arbeits- und Privatleben realitätsangemessener zu erforschen.
Ernst, Stefanie | Professur für Arbeit und Wissen (Prof. Ernst) |