Beck, J., & Daumiller, M.
Poster | Peer reviewedZiele, die Schüler*innen in der Schule verfolgen, sind eine wichtige Motivationsvariable, die Unterschiede im Lernengagement und schulischen Erfolg erklären. Entsprechend der Achievement Goal Theory wird grundlegend zwischen der Definition von Zielen unterschieden: Masteryziele (Kompetenzentwicklung und Aufgabenbewältigung) und Performanceziele (Demonstration und Vergleich von Kompetenz). Individuen können sich diesen Endzuständen annähern oder vermeiden (d.h. Differenzierung der Ziele nach ihrer Valenz). Darüber hinaus gibt es weitere theoretische Differenzierungen von Zielen (Brophy, 2005; Hulleman et al., 2010; Übersicht: Daumiller et al., 2019). So lassen sich Masteryziele theoretisch in Aufgabenziele (Fokus auf die Bewältigung von Aufgaben) und Lernziele (Fokus auf die persönliche Kompetenzentwicklung) und Performanceziele in Erscheinungsziele (Fokus auf die Demonstration von Kompetenz gegenüber anderen) und normative Ziele (Fokus auf den normativen Vergleich mit anderen Schülern) unterteilen. Darüber hinaus können in der Schule noch weitere Arten von Zielen verfolgt werden, insbesondere Arbeitsvermeidungsziele und soziale Ziele. Während sich frühere Studien in der Regel entweder auf ältere Personen (z. B. Lehrkräfte; Daumiller & Dresel, 2020) konzentrierten oder Skalen zur Bewertung von Zielorientierungen verwendeten, die weit weniger differenziert waren (z.B. Spinath et al., 2012), fehlt es an Erkenntnissen über die Differenzierbarkeit von Zielen und ihre differentiellen Auswirkungen auf Lernen, Motivation und andere wichtige schulbezogene Variablen in der Sekundarstufe. Die vorliegende Studie zielt darauf ab, (a) die Existenz der zuvor beschriebenen Ziele bei Schüler*innen der Sekundarstufe zu bestätigen und (b) einen Fragebogen zur Messung dieser theoretisch abgeleiteten Zielstruktur zu validieren. Alle Forschungsfragen wurden im Vorfeld präregistriert (https://aspredicted.org/6WT_PVP). Als Grundlage für diese Skala für Schüler*innen diente das Instrument von Daumiller et al. (2019). Für jedes Ziel wurden vier Items auf einer 5-Punkte-Likert-Skala ("stimme gar nicht zu" bis "stimme voll zu") verwendet. In einem ersten Schritt wurden kognitive Interviews (Peterson et al., 2017) mit 20 Schüler*innen der Klassen 6 und 10 durchgeführt, in denen sie ihre Zustimmung zu den Items verbal begründeten. Die Ergebnisse deuteten grundsätzlich auf die Existenz der Ziele und der theoretisierten Zielstruktur hin. Um ein adäquates Itemverständnis zu gewährleisten, wurde die Formulierung von neun Items leicht verändert. Ein Item zur Messung von Vermeidungs-Lernzielen wurde ersetzt. In einem zweiten Schritt füllten N = 1.131 Schüler*innen der Sekundarstufe I diesen Fragebogen zu ihren Zielen, ihren Schulnoten in Deutsch und Mathematik auf dem letzten Zeugnis und ihren Zielorientierungen mit einem weniger differenzierten Fragebogen, dem SELLMO (Spinath et al., 2012), aus. An einer zweiten Messung sechs Wochen später nahmen erneut n = 778 Schüler*innen teil. Wir haben Mehrebenen-konfirmatorische Faktorenanalysen durchgeführt, um zu prüfen, ob die Daten am besten zur hypothetisierte Zehn-Faktoren-Lösung der Ziele passen verglichen mit weniger differenzierten Zielstrukturen (d.h. 2 Sechs-Faktoren-Lösungen mit der Vernachlässigung der Valenz bzw. der Foki sowie 2 Acht-Faktoren-Lösungen mit der Vernachlässigung der Foki von nur Mastery- oder nur Performancezielen). Darüber hinaus wurde der Grad der Messinvarianz zwischen Geschlechtern (männlich/weiblich), Alter (5. & 6. vs. 7. – 10. Klasse) und Messzeitpunkte (6 Wochen Abstand) getestet. Korrelationen wurden für den Zusammenhang zwischen den Zielen und den Schulnoten sowie den Zielorientierungen berechnet. Die Zehn-Faktoren-Lösung (χ2 (680) = 1.441, p .01 und ΔSRMR > .015). Für die Variablen Alter und Messzeitpunkte wurde residuale Invarianz festgestellt; für Geschlecht skalare Messinvarianz (ΔCFI ≤ .01 und ΔSRMR ≤ .015 im Vergleich zum weniger restriktiven Invarianzmodell). Die Korrelationen mit den Schulnoten waren für alle Masteryziele statistisch signifikant (.11 ≤ r ≤ .22, p < .01). Die Korrelationskoeffizienten zwischen Schulnoten und Performancezielen waren klein (.02 ≤ r ≤ .10) mit gemischten Signifikanzniveaus. So korrelierten zum Beispiel die Vermeidungs-Erscheinungsziele signifikant mit der Note in Mathematik, aber nicht signifikant mit der Note in Deutsch. Schulnoten korrelierten signifikant negativ mit Arbeitsvermeidungszielen (r ≤ -.11, p < .01) und signifikant positiv mit Beziehungszielen r ≥ .19,p < .001). Die Ziele korrelierten moderat mit den konvergenten Zielorientierungen, die mit dem SELLMO gemessen wurden (z.B. Masteryziele mit Lernzielorientierung; .41 ≤ r ≤ .70). Die Korrelationen von Zielen mit divergenten Zielorientierungen lagen auf einem niedrigeren Niveau. Zusammengenommen bestätigen die vorliegenden Ergebnisse, dass Schüler*innen in der Schule die theoretisierten Ziele verfolgen. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Schüler*innen zwischen diesen Zielen fein differenzieren – unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Alter oder dem Messzeitpunkt. Die Korrelationen mit den Schulnoten unterstreichen die Bedeutung von Zielen, aber auch die Notwendigkeit, bei Performancezielen zwischen normativen und Erscheinungsfokus zu differenzieren. Unsere Ergebnisse weisen somit auf die Relevanz hin, Ziele bereits in der frühen Sekundarstufe fein differenziert zu betrachten – wofür unsere Studie ein geeignetes Messinstrument bestätigt und bereitstellt. Referenzen Brophy, J. (2005). Goal theorists should move on from performance goals. Educational Psychologist, 40(3), 167-176. https://doi.org/10.1207/s15326985ep4003_3 Daumiller, M., Dickhäuser, O., & Dresel, M. (2019). University instructors’ achievement goals for teaching. Journal of Educational Psychology, 111(1), 131-148. https://doi.org/10.1037/edu0000271 Daumiller, M., & Dresel, M. (2020). Researchers’ achievement goals: Prevalence, structure, and associations with job burnout/engagement and professional learning. Contemporary Educational Psychology, 61, Artikel 101843. https://doi.org/10.1016/j.cedpsych.2020.101843 Hulleman, C. S., Schrager, S. M., Bodmann, S. M., & Harackiewicz, J. M. (2010). A meta-analytic review of achievement goal measures. Psychological Bulletin, 136(3), 422-449. https://doi.org/10.1037/a0018947 Murayama, K., & Elliot, A. J. (2019). Achievement Goals. In R. M. Ryan (Hrsg.), The Oxford handbook of human motivation (S. 227-245). Oxford University. Peterson, C. H., Peterson, N. A., & Powell, K. G. (2017). Cognitive interviewing for item development: Validity evidence based on content and response processes. Measurement and Evaluation in Counseling and Development, 50(4), 217-223. Spinath, B., Stiensmeier-Pelster, J., Schöne, C., & Dickhäuser, O. (2012). Skalen zur Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation: SELLMO. Hogrefe.
Beck, Jan Ulrich | Professur für Lernpsychologische Voraussetzungen für Erziehung und Unterricht (Prof. Dutke) |