Bereits vor der von der Bundesregierung im Frühjahr 2011 verkündeten Energiewende haben sich viele Kommunen, Regionen und Akteure mit der Frage auseinandergesetzt, wie das Energiesystem neu gestaltet werden kann. Die verordnete Energiewende hat schließlich dafür gesorgt, dass die Innovationsdynamik und -kapazität des sozio-technischen Systems der Energieversorgung in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt ist. Im Zuge der Abkehr von Atomkraft und fossilen Brennstoffen als Energiequelle stellt sich nicht die Herausforderung der Etablierung erneuerbarer Energien, sondern auch die Frage, inwiefern vorhandene Governance-Strukturen verändert und/oder neu angelegt werden müssen, um den sich wandelnden Bedarfen auf dem Energiesektor Rechnung zu tragen. Hierbei geht es insbesondere um die effektive Koordination von Energieverbrauch und -bereitstellung sowie um die Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien, die wiederum Besitzverhältnisse und Investitionsentscheidungen beeinflussen wofür neue/angepasste regulatorische Rahmenbedingungen benötigt werden. Die Transformation der stark pfadabhängigen sozio-technischen Regime sowie die Entwicklung und Koordination von funktionalen und effizienten politischen Maßnahmen unter Zeitknappheit stellen eine große Herausforderung dar. Politische, ökonomische und zivilgesellschaftliche Akteure sind dabei mit neuartigen Governance-Problemen konfrontiert. Hierbei stellen sich Fragen nach der Legitimität politischer Prioritätensetzungen, nach der Koordination der relevanten politischen Ebenen und Politikfelder, nach der Verantwortung für Kosten und Nutzen von Investitionen, nach der Überwindung machtvoller Status-Quo-Interessen und der Einbindung privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements für die Energiewende. Die Herausforderungen einer umwelt- und gesellschaftsverträglichen Transformation des Energiesystems stellen sich nicht allein für energierelevante Politiken auf europäischer, nationaler oder Bundesländerebene. Noch bevor die Energiewende einen bundespolitischen Rahmen erhielt, stellten sich bereits Regionen und Kommunen der Neugestaltung dieses Systems vor Ort. Hierbei handelt es sich sowohl um Innovationen im technischen Bereich der Energieerzeugung als auch um neue Wege im sozialen, politischen und ökonomischen Bereich. Die Erprobung neuer Techniken geht mit der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle und Governance-Strukturen einher, dies alles unter einem hohen Maß an Unsicherheit. Da „Blaupausen“ für ein richtiges Vorgehen fehlen, entwickeln sich situationsspezifische Governance-Arrangements, deren Langlebigkeit und Funktionsfähigkeit erst noch getestet werden müssen und über die wir bislang allenfalls fallspezifisches Wissen besitzen. Vor diesem Hintergrund leistet das Forschungsprojekt LITRES einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Rolle von Gemeinden, Städten und Regionen als Orte, in denen sozio-technische Innovationen der Energieversorgung entwickelt, erprobt und zur Anwendungsreife gebracht werden und sich auf andere Räume ausbreiten können. Mit der Einbettung der Aktivitäten und Erfolgsbedingungen der Initiativen sowie der Frage ihrer Verbreitungsmöglichkeiten im politischen Mehrebenensystem leistet das Vorhaben zudem einen unverzichtbaren Beitrag zum Verständnis der Voraussetzungen, unter denen einzelne Vorhaben eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung erlangen können. Nur wenn die Kenntnisse zu den regulativen Chancen und Restriktionen auf die lokalen Initiativen auf nationaler und europäischer Ebene erweitert werden, können die Erfolgsfaktoren und strategischen Entwicklungs- und Diffusionsmöglichkeiten für lokale Initiativen bewertet werden. Im Projekt LITRES wird die Entwicklung situativer Governance als Grundlage für Innovationsimpulse zur Transformation des Energiesystems untersucht. Wir gehen davon aus, dass sich in Auseinandersetzung mit den etablierten Strukturen des Feldes „Energiesystem“ spezifische lokale Governance-Strukturen entwickeln, die Innovationsimpulse setzen und einen wichtigen Beitrag zur Transformation des Energiesystems leisten. Ziel ist es, spezifische Struktur- und Organisationsmuster situativer lokaler Governance herauszuarbeiten, die sich über das Handeln der beteiligten Akteure auf lokaler Ebene herausbilden. Im Zentrum der Untersuchung stehen acht Fallstudien zu vier Innovationsimpulsen, an jeweils verschiedenen Standorten: Mikro-/Mini-KWK, Energieliefer-Contracting, Intelligente Infrastrukturen, Bürgerwindanlagen. Bei der Durchführung der Fallstudien kooperieren wir mit zahlreichen Praxispartnern. (Siehe: http://www.uni-stuttgart.de/litres/praxispartner/index.html) Aufbauend auf den Ergebnissen der Fallstudien und unter Berücksichtigung weiterer Ergebnisse sollen Hypothesen entwickelt werden, die die Diffusion von erfolgreichen, nachhaltigen und gesellschaftsverträglichen Innovationen ausgehend von lokalen Impulsen besser verständlich machen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frage gelegt, inwieweit von den lokalen Initiativen Impulse für eine nachhaltige Änderung des Energiesystems insgesamt ausgehen können und welche spezifischen Konfliktlinien mit der Entwicklung neuer Energie-Governance auf lokaler Ebene verknüpft sind. Quelle: http://www.uni-stuttgart.de/litres/projekt/index.html
Fuchs, Doris | Professur für Nachhaltige Entwicklung (Prof. Fuchs) |
Fuchs, Doris | Professur für Nachhaltige Entwicklung (Prof. Fuchs) |
Graf, Antonia | Professur für Nachhaltige Entwicklung (Prof. Fuchs) |