Die Überreste des Imperiums in den Untiefen der Kanalisation. Ein (post-)sowjetischer Tag zwischen Freiheitsrausch und Dystopie bei Jurij Andruchovyč und Oleksandr Irvanec’

Basic data for this talk

Type of talkscientific talk
Name der VortragendenValentin Peschanskyi
Date of talk01/10/2022
Talk languageGerman

Information about the event

Name of the eventJunge Slavistik im Dialog. Die XVII. Internationale Slavistische Konferenz
Event period30/09/2022 - 01/10/2022
Event locationChristian-Albrechts-Universität zu Kiel

Abstract

Der Tag ist in seiner Überschaubarkeit und Abgeschlossenheit die zeitliche Grundeinheit unserer Existenz. Er ist der gemeinsame (Zeit-)Nenner, der Naturzyklen und kulturelle Bedürfnisse nach Sinn, Rahmung und Ordnung verbindet. Als Zeitform für erzählende Kunstwerke ist er unter anderem aufgrund seines Modellcharakters attraktiv: In seinem regelmäßigen Verlauf von den frühen Morgenstunden bis zur Finsternis der Nacht ist er auch eine Miniatur größerer Zeitabschnitte, etwa des Jahres, eines Menschenlebens oder gar der gesamten Weltgeschichte. Kurzum: Im Tag konzentrieren sich unüberschaubare Zeitabschnitte zu greifbaren Einheiten. In meinem Vortrag will ich über zwei Tageserzählungen der ukrainischen Gegenwartsliteratur sprechen, die das sowjetische Imperium aus postsowjetischer Perspektive auf 24 Stunden verdichten und zur Anschauung bringen: Jurij Andruchovyč’ Moskoviada (1991) und Oleksandr Irvanec’ Rivne/Rovno (2001). Die zwei Romane bilden ein Palimpsest, welches das erste Jahrzehnt der ukrainischen Unabhängigkeit einschließt und bilanziert. In Andruchovyč’ Phantasmagorie zieht sich das zusammenschrumpfte, aber nach wie vor bedrohliche Imperium in den Untergrund zurück, aus dem es in Irvanec’ dystopischer Vision an der Jahrtausendwende wieder ausbricht. Diese raum-zeitlichen Kontraktions- und Ausdehnungsprozesse des sowjetischen Chronotopos stehen im Zentrum meiner Überlegungen.
KeywordsUkraine; Russland; Sowjetunion; Imperialismus; Chronotopos

Speakers from the University of Münster

Peschanskyi, Valentin
Professorship for Slavic Studies (Prof. Wutsdorff)