Neu Tim, Sikora Michael, Weller Thomas
Book (edited collection) | Peer reviewedDie ständischen Institutionen der Frühen Neuzeit sind von der Forschung bisher meist unter einer Perspektive untersucht worden, die den – modern gesprochen – gesetzgeberischen Ertrag der Versammlungen in den Vordergrund stellte. Im Zentrum des Interesses standen dementsprechend die schon sehr früh schriftlich niedergelegten Beschlüsse auf dem Feld der Herrschaftsverträge, der Steuerbewilligungen und der Landesverwaltung. Die Verhandlungen selbst erschienen vor diesem Hintergrund in erster Linie als rationales, machtorientiertes Ringen, das an seinen Ergebnissen zu messen war. Und zweifellos konnten auf diesem Wege fundamentale Einsichten gewonnen werden. Die Beiträge des vorliegenden Bandes konzentrieren sich dagegen auf die Praxis der ständischen Kommunikationsprozesse selbst. Das meint zum einen das ›Verhandeln‹ im engeren Sinn. Das meint aber zugleich, jene Praktiken einzubeziehen, die bisher meist als akzidentelles und zu vernachlässigendes Beiwerk frühneuzeitlicher Institutionen galten, in den Debatten der letzten Jahre jedoch zunehmend als bedeutungsvoll und relevant erkannt worden sind, nämlich die des ›Zelebrierens‹. Damit ist die zeremonielle Durchformung der Ständeversammlungen gemeint, die in allgegenwärtigen symbolischen Ausdrucksformen wie Sessionsordnungen, rangbasierten Abstimmungsformen und solennen Akten, etwa der Versammlungseröffnung oder der Abschiedsverkündung, zum Ausdruck kam. Erst eine solche Perspektive, die verhandlungsförmige und zeremonielle Praktiken gleichermaßen und in ihrem Zusammenspiel untersucht, ist in der Lage, Ständeversammlungen in ihrer Ganzheit wahrzunehmen und damit ihre Eigenart und wahrscheinlich auch ihre Transformationen umfassender und präziser zu beschreiben und zu interpretieren. Der Band will in diesem Sinne erstmals empirische Studien in einer europäisch-vergleichenden Herangehensweise bereitstellen.
| Neu, Tim | Department of History |
| Sikora, Michael | Department of History |