Vertrag und Gefühl scheinen auf den ersten Blick kaum miteinander kompatibel zu sein. Durch die Systematisierungen des Natur- bzw. Vernunftrecht im 17. und 18. Jahrhundert ist der moderne Vertragsbegriff entstanden: ein durch die Ratio geprägtes Konzept. Die Ausdifferenzierung der Wissenschaften hat das ihre dazu beigetragen, Recht als ein autonomes System entstehen zu lassen, das von der Moral strikt geschieden wird. Den Objektivitätsanspruch des modernen Rechts scheint das Gefühl entsprechend nicht erfüllen zu können, sein Ort deshalb eher in der Moral und Ästhetik zu finden zu sein. Und doch werden Recht bzw. Vertrag und Gefühl seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts immer wieder aufeinander bezogen: Recht kann nicht nur, es soll sogar gefühlt werden, so ist bei Adam Müller oder Novalis, aber auch bei Savigny zu lesen. Das Rechtsgefühl fungiert als regulative Idee für den Vertrag und der Vertrag wiederum als realer oder imaginärer Bezugsrahmen für das Rechtsgefühl. Das richtige Gefühl für das Recht lässt sich aus der Geschichte ableiten, es kommt aus dem Volksgeist - oder direkt aus dem Herzen. Es erhält, so die These, den Status einer anthropologischen Kategorie bzw. hält Einzug in das Selbstgefühl - nicht ohne Konsequenzen für das Politische: Die vom Recht affizierten Herzen der Menschen werden zugleich zum Schauplatz von Technologien sowohl des Regierens als auch des Selbst. Im Fokus des Teilprojekts stehen literarische, philosophische und rechtswissenschaftliche Texte aus der Zeit um 1800, natürlich unter Berücksichtigung der diskursgeschichtlichen Voraussetzungen seit der frühen Neuzeit.
Köhler, Sigrid Gisela | Germanistisches Institut - Abteilung: Neuere deutsche Literatur |
Köhler, Sigrid Gisela | Germanistisches Institut - Abteilung: Neuere deutsche Literatur |
Schmidt, Florian | Germanistisches Institut - Abteilung: Neuere deutsche Literatur |