Problemskizze Das lukanische Doppelwerk ist, was die Gattung die Art der Darstellung anbelangt, nicht nur allgemein mit der hellenistischen Geschichtsschreibung verwandt. Es gibt darüber hinaus eine spezifische Affinität zwischen der Apostelgeschichte des Lukas und dem Bellum Judaicum des Flavius Josephus. Beide Werke kann man als historische Monographien begreifen, die über einen begrenzten, für eine bestimmte Gemeinschaft konstitutiven Abschnitte der Geschichte berichten. Dabei bemühen sie sich nicht um einen möglichst objektiven, religiöses und politisches Interesse, welches sich in der erkennbaren Grundintention der jeweiligen Schrift niederschlägt. Dieses Interesse zeigt sich, den allgemeinen Regeln der antiken Historiographie folgend, vor allem in den Reden der Hauptfiguren der Geschichte, in denen der Autor seine eigenen Anliegen und seine Interpretation der geschichtlichen Ereignisse präsentiert. Die spezifische Affinität zwischen der Apostelgeschichte und dem Bellum Judaicum ergibt sich nun aus der ähnlichen geschichtlichen Situation und Aufgabe, mit der sich Lukas und Josephus konfrontiert sahen: Beide schreiben nach dem Jahr 70 n.Chr., d.h. nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels, und werben in einer römisch dominierten Welt um Verständnis für eine bestimmte Art von Judentum bzw. Christentum, das sie ihren Lesern nahezubringen versuchen. Dazu bedienen sie sich der üblichen Mittel der antiken Rhetorik. Ziele Im Verlauf des Projekts werden die in den beiden Werken enthaltenen Reden einer gründlichen Analyse unterzogen, die sich vor allem an den Mitteln der antiken Rhetorik orientiert. Dadurch wird sichtbar, wie die beiden Autoren diese Mittel einsetzen, um ihr jeweiliges Ziel zu erreichen. Durch den Vergleich der beiden Werke miteinander treten sowohl deren Gemeinsamkeiten als auch ihre je eigenen Profile deutlicher hervor. Es können methodisch gesicherte und im einzelnen belegbare Aussagen über die jeweilige Grundintention beider Werke gemacht werden. Diese ermöglichen eine angemessene Interpretation einzelner Textstellen.
| Eisele, Wilfried | Professur für Zeit- und Religionsgeschichte des Neuen Testaments (Prof. Eisele) |