"Majestas Mariae" als musikgeschichtliches Phänomen. Studien zu marianischen Choralordinarien des 16. Jahrhunderts

Basic data for this project

Type of projectIndividual project
Duration at the University of Münster07/01/2009 - 31/12/2013

Description

Das Projekt möchte am Beispiel einer großen, bislang unerforschten Gruppe marianischer Choralordinarien untersuchen, in welcher Form die Marienverehrung Einfluss auf die mehrstimmige Musik des 16. Jahrhunderts genommen hat. Die Konzentration auf das Repertoire der Missae de Beata Virgine bietet sich nicht nur aufgrund ihrer repräsentativen, im Zusammenhang musikalisch institutionalisierter Gattungen der Zeit geradezu singulären Verbreitung an. Vielmehr legen ihre, der Messengeschichte eigentümlich zuwiderlaufenden antizyklischen Formanlagen nahe, kanonbildende Aspekte weniger in musikalisch immanenten Bedingungsgefügen und Einflusskategorien als dem frömmigkeitsgeschichtlichen Horizont zu vermuten, in dem sich diese Werke entfalteten. Zu untersuchen und interpretieren sind entsprechend gleichermaßen musik- wie theologiegeschichtliche Hintergründe, die die Entstehung, Ausprägung und Konsolidierung der Missa de Beata Virgine in kirchlichfunktionalen, höfisch-reputativen und nicht zuletzt immanent artifiziellen Kontexten begünstigt haben. Über die Frage nach Überlieferungs- und Gebrauchszusammenhängen hinaus liegt ein besonderer Akzent hier auf Mechanismen und Motivationen symbolischer Kommunikation in religiös ambitionierter Kunstmusik. Ergebnisse Trifft es zu, dass die musikhistorische Bedeutung einer Gattung nicht unwesentlich von Kriterien wie ihrer Anzahl und ihren prominenten Beiträgern abhängt, so dürfen die im Verlauf des Projektes eruierten 70 Missae de Beata Virgine der 1490er bis 1630er Jahre umstandslos als signifikant bezeichnet werden. Fast alle bekannten Komponisten haben mindestens ein Werk dieser Gruppe vorgelegt, und dass ihre Statistik mühelos jene knapp 50 L'homme armé-Zyklen der Messengeschichte überragt, soll kaum eine Neufassung historiographisch ohnehin zweifelhafter Gattungs-Ranglisten anregen, als vielmehr deutlich machen, dass der Blick auf nur eine Linie der Messvertonung noch lange keine Rückschlüsse über deren historische Relevanz oder gar Dominanz erlaubt. Denn nicht nur numerisch ist das Bild von der polyphonen Messvertonung im 16. Jahrhundert zu korrigieren, wenn die Missae de Beata Virgine geschlossen in den Blick rücken: Mit ihrer Orientierung am satzweise wechselnden Kirchenchoral und den liturgischen Marienfesten werden hier Formen und Funktionen akzentuiert, die man aus der Sicht des originalitätsästhetisch aus Form und Funktion ja gerade herausdrängenden „musikalischen Kunstwerks" als konservativ bis retrospektiv, mindestens aber als künstlerisch unambitioniert begreifen müsste. Angesichts der bloßen Anzahl der Missae de Beata Virgine ausgewiesener Komponisten mutet dies freilich paradox an. Mit dem Fokus auf dieses große, bedeutsame Repertoire, das nachweislich auf seine frömmigkeitsgeschichtlichen Parameter - hier die Marienverehrung - formal reagiert, wird eine grundlegende kritische Diskussion gängiger Geschichtsbilder der polyphonen Messe ebenso möglich wie der konzeptionelle Entwurf eines angemessenen Interpretationshorizonts, der dem Gegenstand - auch und vor allem in seiner historischen Perspektive - gerecht wird. In dem Maße, in dem die Marienverehrung kirchlich legitimiert als künstlerisches Medium Profil bekam, war festzustellen, dass auch in der musikalischen Struktur, und nicht nur im Titel der Missae de Beata Virgine marianische Profilbildungen qua Symbol ihren Platz haben. Hier - im Spannungsfeld von künstlerischem Anspruch und funktionalen Determinismen - wären jene Messenforschungen perspektivisch anzusiedeln, die weniger am werkimmanenten musikalischen Prozess als am realen Ereignisort der Messe interessiert sind, der sich oft strukturhaft in den Kompositionen niedergeschlagen, mindestens aber zu ihrer spezifischen Form und Anlage Anlass gegeben hat. Insofern kann die als Projektergebnis vorgelegte Studie über ihre eigene Werkgruppe hinaus impulsgebend für die weitere Messenforschung sein.

KeywordsChoralordinarien; Musikgeschichte
Funding identifier562494
Funder / funding scheme
  • DFG - Individual Grants Programme

Project management at the University of Münster

Wiesenfeldt, Christiane
Subject of Musicology

Applicants from the University of Münster

Wiesenfeldt, Christiane
Subject of Musicology