Das Manuskript F-Pbn Turc 292 - http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b84150086 (10.05.2011) - eine nachträglich gebundene Loseblattsammlung des polnischen Renegaten, osmanischen Hofmusikers und Dolmetschers ‘Alī Ufḳī (um 1610-um 1675), ist eine ungewöhnliche Quelle von hohem Erkenntniswert. Auf 313 Blättern umfasst sie u.a. die ersten Aufzeichnungen osmanischer Musik in westlicher Notation überhaupt und ist somit eine der sehr wenigen erhaltenen Niederschriften vor dem 20. Jh. Weiter enthält sie europäische Kompositionen(v.a. geistliche Lieder), Tabulaturen sowie Texte in einer Vielzahl von Sprachen, darunter musiktheoretische Anmerkungen, eigene und fremde Gedichte, medizinische und kulinarische Rezepte, grammatikalische und linguistische Notizen, Urkunden sowie persönliche Aufzeichnungen. So ist das Kompendium des ‘Alī Ufḳī ein einzigartiges Zeugnis für transkulturelle Prozesse zwischen Europa und dem Osmanischen Reich während des 17. Jahrhunderts und erlaubt einen faszinierenden Einblick in das Leben und in die Gedankenwelt eines Menschen, der sich souverän zwischen zwei Welten bewegte.Aus musikwissenschaftlicher Sicht bedarf diese einzigartige Quelle einer detaillierten Erschließung durch eine kritische Edition der musikalischen Inhalte sowie der Analyse und Kontextualisierung der überlieferten osmanischen und europäischen Repertoires. Zentrale Fragen sind hierbei Transkulturalität, Notation mündlich überlieferter Musik, die Einbindung des Autors in internationale Wissensnetzwerke sowie seine Verortung in der osmanischen und europäischen Musikgeschichtebezüglich Repertoire, Theorie und Praxis.
| Haug, Judith Irmela | Lehrstuhl für Musikwissenschaft (Prof. Heidrich) |
| Haug, Judith Irmela | Lehrstuhl für Musikwissenschaft (Prof. Heidrich) |