In der gegenwärtigen Diskussion über das Fundament der Menschenwürde und über den Gottesbezug der europäischen Verfassung wird vielfach die These vertreten, ohne eine religiös-transzendente Begründung von Recht und Moral drohe der Rückfall in das Zeitalter der „Staatsvergottung". Der Verfügung des Staates über die Rechte und das Leben der Individuen seien dann keine Grenzen gesetzt. Diese Gefahr potenziere sich durch die Möglichkeiten der modernen Biotechnologie (Gefahr der Menschenzüchtung zu Staatszwecken). Als Höhepunkt der philosophischen Vergöttlichung des Staates gilt die Philosophie Hegels. Die Aufgaben einer „religionsneutralen" Begründung und Sicherung der Grundrechte, der Gewaltenteilung, des staatlichen Gewaltmonopols etc. sind aber auch nach der Epoche der Totalisierung der Staatsgewalt und in einer Periode der Erosion der Staatlichkeit (Globalisierung, „failing states") nicht obsolet. In diesem Projekt sollen die historische und systematische Tragweite der Hegelschen Konzeption des Staates als weltliches „Dasein des Absoluten" erforscht werden. Systematisch sind an dieser These bis heute wichtig: Die Letztbegründung des Staates als Garant einer Verfassung individueller Freiheitsrechte und dauerhafter Institutionen ohne offenbarungsreligiöse Voraussetzungen.Die philosophische Staats-Legitimierung gegen Relativierung durch theokratische oder eschatologische Tendenzen zur Auflösung von Institutionen, Rechtsnormen und staatlichem Gewaltmonopol. Historisch führt Hegel eine Richtung der Staatsphilosophie zu Ende, die den zunehmend konfessionsneutralen, aber christlichen Staat der frühen Neuzeit (von Hobbes bis Kant) nur durch seine Begründung in einer absoluten Vernunft gegen die Bedrohungen durch den deterministischen Materialismus einerseits und die religiöse Instrumentalisierung andererseits sichern zu können glaubt. Hegel hält, ähnlich wie Kant, die Konzeption des Staates als Forderung und Manifestation der absoluten Vernunft mit der christlichen Gottesvorstellung nicht nur für vereinbar, sondern von einem aufgeklärten Christentum sogar gefordert. Er sieht in dem Gott der christlichen Religion und dem „trinitarisch" gewaltenteiligen Staat zwei gleichberechtigte Manifestationen des Absoluten. Das Projekt untersucht die systematischen Argumente der Hegelschen Idee des „göttlichen" Staates sowie ihre Vor- und Nachgeschichte (Hegelschule, französischer Frühsozialismus, Ranke etc.).
Siep, Ludwig | Professur für Philosophie mit dem Schwerpunkt Ethik und Politische Philosophie (Prof. Siep) |
Siep, Ludwig | Professur für Philosophie mit dem Schwerpunkt Ethik und Politische Philosophie (Prof. Siep) |
Städtler, Michael | Department of Philosophy |