Die Esoterik in der Exoterik – Guido Lists (1848–1919) ‚Arische Ursprache‘ und das Konzept der ‚Kala‘
Grunddaten zum Vortrag
Art des Vortrags: wissenschaftlicher Vortrag
Name der Vortragenden: Suckro, Robert
Datum des Vortrags: 10.11.2023
Vortragssprache: Deutsch
Informationen zur Veranstaltung
Name der Veranstaltung: Esoterik im Austausch: Identität, Kultur, Religion. Gründungstagung des DVRW-Arbeitskreises „Esoterik und alternative Religiosität“
Zeitraum der Veranstaltung: 09.11.2023 - 10.11.2023
Ort der Veranstaltung: Wien
Veranstaltet von: DVRW / Institut für Religionswissenschaft (Universität Wien)
Zusammenfassung
Guido List (1848–1919) gilt als einer der bekanntesten Vertreter völkischer Religion um 1900 und wird bis heute, insbesondere in neuheidnischen Diskursen rezipiert. Um den Germanen eine besondere ‚Kulturhöhe‘ nachzuweisen, wertete er historische Quellen aller Art unter der Prämisse aus, unter ihrer Oberfläche sei eine hochentwickelte Geheimlehre, der ‚Armanismus‘, verborgen. Die zentralen Lehren des Armanismus spiegeln populäre Elemente des alternativreligiösen Milieus um 1900 wider, nehmen aber in Lists Werken gegenüber der Erläuterung und Anwendung seiner Methode zur Quellenauswertung eine untergeordnete Rolle ein. Die Analyse seiner Methodik, Argumentation sowie seiner Beweisführung wird Gegenstand des Vortrags sein. Nicht allein, dass die Binnenlogik seiner Systematik seine Grundannahmen stets zu bestätigen scheinen, sondern gerade die Tatsache, dass er sein Vorgehen transparent macht, machte ihn für andere Autoren im Spektrum völkischer Religiosität attraktiv, die er in seinen Texten zu eigenen Forschungen nach seinem System aufforderte. Lists Anliegen, Religion und Wissenschaft zusammenzuführen, zeigt sich eindrücklich in seinem Versuch, seine vermeintliche intuitive Begabung mit einer sprachwissenschaftlichen Methodologie zu kombinieren. Das Ergebnis ist die ‚Entdeckung‘ der ‚Arischen Ursprache‘. Diese bildet die Grundlage der Verschlüsselungstechnik ‚Kala‘, mit deren Hilfe der esoterische Armanismus in vorchristlicher Zeit in die exoterische Volksreligion des ‚Wuotanismus‘ übersetzt (‚verkalt‘) und mit deren Hilfe die Geheimlehre nach der Christianisierung bis in die Moderne tradiert worden sei. Bemerkenswert ist, dass Lists von Analogie- und Zirkelschlüssen durchzogene Methode auf der Annahme basiert, dass auch nicht-schriftliche Quellen, wie etwa Wappen, Volksbräuche und Symbole als Zeugnisse der ‚Kala‘ mithilfe der ‚Arischen Ursprache‘ dekodiert werden können.
Stichwörter: Guido List; Esoterik; Völkische Bewegung; Antisemitismus; Sprache; Alldeutsche Bewegung; Österreich; Neuheidentum
Vortragende der Universität Münster