Populismus und Anti-Pluralismus: Reichweite und Grenzen eines formalen Kritikmusters
Grunddaten zum Vortrag
Art des Vortrags: wissenschaftlicher Vortrag
Name der Vortragenden: Möller, Kolja; Düber, Dominik
Datum des Vortrags: 16.11.2017
Vortragssprache: Deutsch
Informationen zur Veranstaltung
Name der Veranstaltung: V. Tagung für Praktische Philosophie. Panel: Rechts- und sozialphilosophische Aspekte der Krise der Demokratie
Zeitraum der Veranstaltung: 16.11.2018 - 17.11.2017
Ort der Veranstaltung: Salzburg, Österreich
Zusammenfassung
In unserem Beitrag werden wir dem Verhältnis von Populismus undPluralismus nachgehen. In der zeitgenössischen Populismusforschungstehen sich hier zwei Thesen gegenüber: Einerseits wird auf dieVielgestaltigkeit populistischer Politikformen - als Rechtspopulismus,Linkspopulismus, Agrarpopulismus, religiöser Populismus oder alsPopulismus der Mitte - hingewiesen. Andererseits heben gerade dieliberalen Kritiker populistischer Politikformen hervor, dass diese Vielfaltdoch nicht über ein gemeinsames Strukturmerkmal hinweg täuschenkann: Der Appell ans „Volk", das gegen die „Elite" oder das„Establishment" in Stellung gebracht wird, scheint am Ende doch aufantipluralistischenAnnahmenzuberuhen,dieoffeneDeliberationsprozesse, subjektive Rechte und Verfahren der Machtkontrolleunterlaufen. Deshalb sei der Populismus unvereinbar mit der Demokratieund eine Kritik des Populismus müsse sich vor allem darauf konzentrieren,seine antipluralistischen Konsequenzen aufzudecken. Wir wollen in unserem Beitrag diese Sichtweise einer näheren Betrachtungunterziehen und prüfen, ob und inwieweit sie geeignet ist, diejenigenpolitischen Programme, die man für legitim hält von denjenigenabzugrenzen, die man für unzulässig bzw. gefährlich hält. Zu diesem Zweck wollen wir populistische Ansätze in folgenden Hinsichtennäher untersuchen: (i) Zunächst werden wir bestimmen, wie genau populistische Politikformenan der Grenze von einfacher Gesetzgebung und höherrangigerVerfassungspolitik operieren und welches Verhältnis sie dabei zumfaktischen gesellschaftlichen Pluralismus einnehmen. (ii) Dann wenden wir uns der liberalen Kritik am Populismus zu undunterscheiden verschiedene Verständnisse des Pluralismus: Sie reichenvon der Annahme, dass in demokratischen Gesellschaften der Bezug aufdie verfassungsgebende Gewalt des Volkes aus dem politischen Lebenverbannt bleibt, da so der prozedural abgesicherte Meinungspluralismusgefährdet ist, bis hin zu Versuchen, doch noch eine „we-the-people"-Perspektive denkbar zu machen, die sich aber nur als dengesellschaftlichen Pluralismus erweiternde Bewegung der Inklusion neuersozialer Gruppen und Meinungen artikulieren darf. Wie wir zeigen wollen,zeigt sich in diesen Pluralismusverständnissen eine spezifisch liberal-„horizontalistische" Perspektive auf das Verhältnis von Macht undGegenmacht in der repräsentativen Demokratie. (iii) Vor diesem Hintergrund werfen wir schließlich die Frage auf, ob der„Antipluralismus" tatsächlich als normatives Kardinalproblem gelten kann- oder ob populistische Politikformen sogar eher als Reaktionsweisen aufdie Leerstellen genau jener Pluralismusverständnisse zu verstehen sind. (iv) Auf dieser Basis wollen wir zu einem näheren Verständnis davongelangen, wie das Verhältnis von Pluralismus und Demokratie normativaufgefasst werden kann und inwiefern sich darin die problematischeSeiten populistischer Ansätze angemessen ausdrücken lassen. AnBeispielen wie der populistischen Kritik von Minderheitenrechten sollgeprüft werden, ob zu deren Zurückweisung der Rekurs auf denAntipluralismus solcher Positionen hinreichend ist oder nicht stärkerinhaltlich-materiale Argumente erforderlich sind.
Vortragende der Universität Münster
Düber, Dominik | Kolleg-Forschergruppe "Normenbegründung in Medizinethik und Biopolitik" (KFG1209) |