Workshop: 23.-25. Februar 2009; Ben Gurion University, Beer-Sheva (Israel) Wissenschaftliche Zielsetzung: Der geplante Workshop ist der dritte einer Serie von Workshops (19.-21. Februar 2006 [Az. 30.06.0.060] und 9. Oktober 2007 [Az. 30.07.0.092] in Neve Ilan bei Jerusalem), die Albert Gerhards und Israel Yuval initiiert und mitgestaltet haben, und die von der Fritz Thyssen-Stiftung großzügig gefördert wurden. Bei der Arbeit an konkreten Quellen zur jüdischen und christlichen Liturgiegeschichte begegnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die vor ihrem jeweiligen religiösen - jüdischen oder christlichen - Hintergrund und aufgrund der unterschiedlichen Fachkulturen von Judaistik, Literaturwissenschaft und Theologie miteinander ins Gespräch kommen. Die Größe der Gruppe und ausreichend vorhandene Zeit garantiert, dass alle Mitglieder in jedem Panel zu Wort kommen können, dass aber umgekehrt jeder Ansatz einer Atmosphäre eines Zwangs zur akademischen Selbstdarstellung vermieden wird, so dass wirklich frei über Fragen und Probleme gesprochen werden kann. Im Februar 2009 soll die Struktur des Workshops im Vergleich mit den beiden Vorgängern anders gefasst werden. Wir wollen der Arbeit in denjenigen Panels, die nicht in das unten beschriebene Buchprojekt eingehen müssen, das Thema „Psalmen" geben. Dieses Thema wurde in den Beratungen am Ende des letzten Workshops beschlossen. Darüber hinaus sollen in diesem Workshop jedoch die Erfahrungen der gemeinsamen fach‑ und religionsübergreifenden Arbeit durch eine Publikation einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In jenen Panels sollen daher von einzelnen Mitgliedern der Gruppe ausgearbeitete (und mit einem Vorschlag einer Einleitung und einem Kommentar versehene) Übersetzungen jüdischer oder christlicher poetischer Texte vorgestellt und wie üblich diskutiert werden. Dabei wird auch zum Thema gemacht, wie die Erfahrungen dieser spezifischen Gruppe bei der gemeinsamen Arbeit in einen Textkommentar eingehen können, der einem breiteren Publikum beim Zugang zum Verständnis des jeweiligen Texts helfen kann. Es ist geplant, dass die Ergebnisse dieser Arbeit von C. Leonhard und D. Stökl-Ben Ezra als Herausgeber zu einem kleinen Buch redigiert werden, das auch einer Leserschaft von Nicht-Spezialisten ermöglicht, die Reichhaltigkeit poetischer Texte der jüdischen und christlichen Liturgie ästhetisch, theologisch und historisch zu erahnen. Da hier eine Gattung und ihre Rezeption durch jüdische und christliche Leserinnen und Leser im Vordergrund stehen soll, müssen die Beiträge zu diesem Buchprojekt nicht alle das Workshopthema „Psalmen" mitberücksichtigen. Die Arbeitsmethode der ersten beiden Workshops hat sich bewährt und wird beibehalten. Wieder sollen von einem oder zwei Mitgliedern der Gruppe Impulse für die Sitzungen ausgehen. Sie stellen Texte in englischer Übersetzung (neben der Originalsprache) zur Verfügung und führen sehr kurz in dieselben ein, woran sich die gemeinsame Lektüre nach der Methode des close-reading anschließt. Im Gegensatz zu den vorangehenden beiden Workshops und unter Zustimmung der Teilnehmer werden diejenigen, die ein Panel vorbereiten, zuvor einleitendes Material per email versenden, um die Präsentation von Einleitungsfragen auf ein absolutes Minimum reduzieren zu können und noch mehr Zeit zur Lektüre des jeweiligen Textes zu haben. Das Thema „Psalmen" ist zunächst für die jüdische und christliche Liturgie evident, da in beiden seit Jahrhunderten in durchaus ähnlicher Weise Psalmen rezitiert werden. Diese Gemeinsamkeit darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Psalmenverwendung keineswegs auf angeblich gemeinsame „Ursprünge" der jüdischen und christlichen Tagzeitenliturgie zurückgeht. Sowohl das, was als Liturgie der vorkonstantinischen christlichen Kirchen erkennbar ist, als auch die rabbinischen Auffassungen über den Gebetsgottesdienst kommen ohne Rezitation der biblischen Psalmen aus. Nachdem sie eingeführt wurden, bilden sie so etwas wie eine Brücke zwischen jüdischer und christlicher Liturgie. Sie stellen ein gutes Beispiel dafür dar, dass viele konkrete Gemeinsamkeiten und Parallelen zwischen jüdischen und christlichen Liturgieelementen ohne Rekurs auf wissenschaftlich unplausible Ursprungs‑ und Trennungsmythen analysiert werden müssen. Die Hintergründe haben im deutschen Sprachraum Johann Maier und Günter Stemberger ausführlich dargelegt. Andere Modelle, wie unabhängige Entwicklungen und spätere, gegenseitige Beeinflussung sind zu testen. Dieser Ansatz verdankt Isarel Yuval wesentliche Impulse. Die Panels, die diesem Thema gewidmet sind, sollen neben den zu lesenden Texten auch diese Frage in den Blick nehmen.
Leonhard, Clemens | Professur für Liturgiewissenschaft (Prof. Leonhard) |