Studien zum Altneolithikum Italiens

Grunddaten zu diesem Projekt

Art des ProjektesEigenmittelprojekt
Laufzeit an der Universität Münster04.04.2009 - 18.01.2016

Beschreibung

Trotz seiner geografisch zentralen Lage spielt Italien in der Vorgeschichtsforschung, gerade, was das Neolithikum anbelangt, nur eine untergeordnete Rolle. Dies liegt in den komplexen kulturellen Verhältnissen, einer großen Vielfalt unterschiedlichster Publikationsorgane und sicher nicht zuletzt Sprachbarrieren begründet. Die Beziehungen Italiens in den frühen Epochen der Vorgeschichte einerseits nach Südosteuropa und andererseits nach Südfrankreich und Spanien sowie nach Norden sind aufgrunddessen kaum erforscht. Die Einbindung der neolithischen Erscheinungen Italiens in das Kulturgefüge Mittel- und Südost- sowie Südwesteuropas steht im Fokus eines Habilitationsprojektes. Naturräumliche und landschaftsarchäologische Untersuchungen Bei der Lokalisierung archäologischer Fundstellen und der Untersuchung des Siedelverhaltens vorgeschichtlicher Epochen in Italien verschiedene naturräumliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Hierzu sind in erster Linie Veränderungen im Küstenverlauf zu nennen, die einerseits durch Meeresspiegelschwankungen bedingt sind, andererseits aber auch auf Grund tektonischer Aktivität, Hebungen und Senkungen auftreten. Diese Veränderungen gilt es bei der Untersuchung von Kontinuitäten und Diskontinuitäten im Siedelverhalten stets zu berücksichtigen. So ist unter Umständen das fast vollständige Fehlen spätmesolithischer Fundplätze auf den Anstieg des Meeresspiegels seit dem Beginn des Holozäns in Verbindung zu bringen. Eng in Verbindung mit Schwankungen des Meeresspiegels stehen Klimaschwankungen, die sich in Italien, bedingt durch variierende Klimazonen, deutlich auswirken. Besonders markant deutet sich ein Klimapessimum zwischen ca. 6250 und 6050 cal. BC an, das mit Abkühlung und Trockenheit einherging. Die ersten Siedlungen Italiens wurden erst angelegt, als dieses Pessimum vorüber war. Daten zur Klimageschichte und -entwicklung können aus grönländischen Eisbohrkernen, aber auch aus Meeressedimenten gewonnen werden. Kulturgeschichtliche Untersuchungen Während für die frühneolithischen Erscheinungen der Impresso-Kultur Italiens zahlreiche Untersuchungen hinsichtlich ihrer Entstehung und Ausbreitung sowie kultureller Kontakte zur Ostadria einerseits und zum südfranzösischen Frühneolithikum andererseits existieren, sind die Verhältnisse während der Zeit ab 5600/5500 - 4900 unklarer. In Norditalien erscheint ohne Vorläufer die Fiorano-Kultur, deren keramisches Formen- und Verzierungsspektrum nicht aus den Impressokulturen hergeleitet werden kann. Immer wieder wurden mögliche Verbindungen zum Donauraum diskutiert, in der neueren Forschung jedoch verworfen, ohne alternative Ursprungsmöglichkeiten zu nennen. Im Rahmen des Projektes sollen potentielle Einflüsse verschiedener kultureller Erscheinungen aus Mittel- und Südosteuropa auf die Fiorano-Kultur untersucht werden, wobei hier nicht nur die Keramik eine Rolle spielen wird, sondern auch kultisch-religiöse Verbindungen zwischen Norditalien und dem Balkan sowie Mitteleuropa. Durch ihre geografische Lage in der Poebene und an den südlichsten Ausläufern der Alpen hält die Fiorano-Kultur die Kontrolle über wichtige Silexvorkommen. Sie scheint damit eine vorrangige Stellung unter den neolithischen Kulturen Norditaliens einzunehmen, denn ihre typischsten keramischen Erzeugnisse finden sich weit verbreitet und bis nach Mittelitalien. Rohstoffversorgung und Kommunikationsräume Eine besondere Rolle spielt die Verteilung von Rohstoffen innerhalb Italiens und der Austausch von Rohstoffen zwischen Italien und Mittel- und Südosteuropa. Besonders von Relevanz sind hier die Monti Lessini im Veneto, die für ihre reichen Vorkommen an qualitätvollem Silex bekannt sind, aber auch Obsidian, der einerseits seinen Weg von den süditalienischen Inseln Lipari und Palmarola nach Norden nahm, andererseits aber auch vom Karpatenbecken nach Westen verhandelt wurde. Weitere Rohstoffe, an Hand derer sich weitreichende Handelsbeziehungen nachvollziehen lassen, sind Grüngesteine aus den Westalpen, die bis nach Nordeuropa verhandelt wurden, und maritime Mollusken, darunter Dentalien und Stachelaustern (Spondylus gaederopus), die besonders in den ersten Bauernkulturen nördlich der Alpen eine wesentliche Rolle als Schmuck- bzw. Trachtbestandteil spielten. Literatur V. Becker, Figürliche Funde Italiens und ihre Beziehungen nach Mittel- und Südosteuropa. In: V. Becker/M. Thomas/A. Wolf-Schuler (Hrsg.), Zeiten - Kulturen - Systene. Gedenkschrift für Jan Lichardus. Schriften des Zentrums für Archäologie und Kulturgeschichte des Schwarzmeerraumes 17 (Langenweißbach 2009) 47-79. V. Becker, Le relazioni tra la storia della ricerca germanica ed italiana a partire dalla fine del dicianovesimo Secolo. Atti della XLVI Riunione Scientifica (in Druck). A. Pessina/V. Tiné, Archeologia del Neolitico. L'Italia tra VI e IV millennio a. C. (Roma 2008).

StichwörterNeolithikum; Italien; Kulturgeschichte

Projektleitung der Universität Münster

Becker, Valeska
Professur für Ur- und Frühgeschichte (Prof. Gleser)