Die Entwicklung einer Hörstörung unter ototoxischer Medikation zeigt eine hohe interindividuelle Streuung. Die Pharmakokinetik, die Applikationsdosis der Medikamente und das Alter der Patienten erklären diese Unterschiede nicht hinreichend. Daher untersucht unsere Klinik geno- und phänotypische Merkmale der Patienten, die die unterschiedliche Inzidenz der Entwicklung einer Hörstörung erklären können. In einer prospektiven Studie wurde bei kinderonkologischen Patienten, die eine cisplatinhaltige Chemotherapie erhielten, ein pädaudiologisches Monitoring durchgeführt (Lanvers-Kaminsky et al., 2006). Die Zusammenhänge zwischen Hörvermögen, Platinkonzentration und laborchemischen Parametern wurden untersucht. Es zeigten sich unter anderem eine höhere Inzidenz von Hörstörungen bei kontinuierlicher Gabe im Gegensatz zu Kurzzeitinfusionen von Cisplatin und kein signifikanter Einfluss der Plasmakonzentration des freien Platins oder des Lebensalters der Patienten auf die Entwicklung einer Hörstörung. In molekulargenetischen Studien konnte gezeigt werden, dass Zusammenhänge zwischen Polymorphismen der Glutathion-S-Transferase (GST) (Peters et al., 2000) und des LDL-Rezeptors Megalin (Riedemann et al., 2008) und der Entwicklung einer Hörstörung bestehen. Untersuchungen der mitochondrialen DNA (mtDNA) ließen den mitochondrialne Haplotyp J als prädisponierenden Faktor für die Entwicklung einer Hörstörung vermuten (Peters et al., 2003). In einer klinischen Studie wurde der Zusammenhang zwischen Irispigmentierung und Ototoxizität von Cisplatin.untersucht. Bisherige Studien zeigten diesbezüglich uneinheitliche Ergebnisse; die Rolle von Melanin wird kontrovers diskutiert.. Es zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Irispigmentierung und Häufigkeit oder Ausmaß einer Hörstörung (Martin et al., 2007). Die Augenfarbe ist somit kein verlässlicher Parameter zur Prädiktion einer Cisplatin-Ototoxizität. In aktuellen Untersuchungen wird der Einfluss spezifischer Proteine auf die Entwicklung einer Ototoxizität in knock-out-Mausmodellen untersucht. Der Hörverlust im Hochtonbereich gilt als Frühsymptom einer Innenohrschädigung durch Cisplatingabe. Wir haben eine eigene Klassifikation entwickelt. Diese zeigt eine hohe Sensitivität (1,0) zur Früherkennung von Hochton-Hörverlusten bei akzeptabler Spezifität (0,88). Alle Kinder, bei denen zunächst eine beginnende Hörstörung nach Münsteraner Klassifikation auftrat, entwickelten später einen manifesten Hörverlust. Unsere Einteilung kann helfen, die Cisplatin-Ototoxität früher zu erkennen und die audiologische Verlaufsbeurteilung verbessern (Schmidt et al., 2007). In einer aktuellen Untersuchung werden Veränderungendes Hörvermögens unter Cisplatin-Therapie in der Hochfrequenzaudiomerie bis 16 kHz beobachtet. In der Literatur wird der Cisplatin-induzierte Hörverlust als symmetrisch charakterisiert. Anhand eigener Daten gehen wir der Frage der Symmetrie des tonaudiometrisch dokumentierten Hörverlusts nach. Auch objektive Daten (Transitorisch evozierte otoakustische Emissionen (TEOAE) und Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen (DPOAE)) werden ausgewertet. Die Resultate zeigen einen im Mittel stärker ausgeprägten Hörverlust auf dem linken Ohr. Der Unterschied erreicht bei 4000, 6000 und 8000 Hz Signifikanzniveau (ANOVA) und ist bei Mädchen weniger ausgeprägt als bei Jungen (Schmidt et al., 2008).
Boos, Joachim | Klinik für Kinder- und Jugendmedizin - Pädiatrische Hämatologie und Onkologie - (UKM PHO) |
Ciarimboli, Giuliano | Nephrologisches Institut an der Universität Münster |
Jürgens, Franz Herbert | Klinik für Kinder- und Jugendmedizin - Pädiatrische Hämatologie und Onkologie - (UKM PHO) |
Schlatter, Eberhard | Medizinische Klinik D (Med D) |
Zehnhoff-Dinnesen, Antoinette | Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie |
Deuster, Dirk | Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie |
Knief, Arne | Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie |
Lanvers-Kaminsky, Claudia | Klinik für Kinder- und Jugendmedizin - Pädiatrische Hämatologie und Onkologie - (UKM PHO) |
Schmidt, Claus-Michael | Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie |