Engel in der jüdischen und christlichen Liturgie: Jüdische und Christliche Liturgie – Zurück zu den Quellen, Zweiter internationaler Workshop

Grunddaten zu diesem Projekt

Art des ProjektesEigenmittelprojekt
Laufzeit an der Universität Münster02.10.2006 - 14.10.2007

Beschreibung

Zeitpunkt und Ort der Veranstaltung: 09.-12. (bzw. 14.) Oktober 2007, Neve Ilan (Israel); Jerusalem Antragstext: Wissenschaftliche Zielsetzung: Vor einem Jahr (19.2.-21.2.2006) fand in Neve Ilan der von Albert Gerhards und Israel Yuval initiierte Workshop „Zurück zu den Quellen" statt. Wie in jenem soll es 2007 vorrangig um die Begegnung von christlicher und jüdischer Liturgiewissenschaft gehen. Die wissenschaftliche Fragestellung kann an diesem (geplanten) Workshop bereits präziser gefasst werden. Es muss nicht mehr um eine möglichst repräsentative und breite Annäherung an Phänomene der jeweils „anderen" Liturgie, ihres Verständnisses und ihrer Deutung gehen. Dieser Workshop soll sich über die Tatsache hinaus, dass sich alle Mitglieder der Gruppe mit Liturgien beschäftigen, einem inhaltlich fest umrissenen Thema widmen: „Engel in der jüdischen und christlichen Liturgie" (zur Bestimmung der Inhalte s.u.). Die Konzentration auf dieses Thema verspricht eine Schärfung des Bewusstseins für Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen jüdischer und christlicher Liturgie. Die gemeinsame Lektüre von signifikanten Quellentexten hat sich bewährt und zu einem großen Zuwachs des Verständnisses für Gegenstände und Methoden der jeweils anderen unter den beiden Liturgiewissenschaften geführt. Die Arbeitsmethode ist daher als bewährt beizubehalten. Wieder sollen von einem oder zwei Mitgliedern der Gruppe Impulse für die Sitzungen ausgehen. Sie stellen Texte in englischer Übersetzung (neben der Originalsprache) zur Verfügung und führen kurz in dieselben ein. In der folgenden gemeinsamen Lektüre nach der Methode des close-reading stehen nicht die wissenschaftlichen Schlüsse derer, die die jeweilige Quelle vorstellen, im Vordergrund, sondern die Quelle und die von ihr eröffneten thematischen und methodologischen Fragestellungen selbst, so dass Beobachtungen aus den verschiedensten Perspektiven (jüdisch, christlich, exegetisch, liturgisch, religionswissenschaftlich) zu ihr gesammelt und besprochen, Fragen (wenn möglich) beantwortet, vor allem aber weiterführende Problemstellungen formuliert werden können. Thema: Engel in der jüdischen und christlichen Liturgie Beim ersten Workshop entfaltete sich in einem der Panels eine Diskussion über die „Keduscha", bzw. deren historische Beziehung zum „Sanctus" (nämlich die Rezitation von Jes 6.3 und anderen Stellen in der jüdischen und christlichen Liturgie). Wir kamen überein, dass der Diskussion ihrer außerordentlichen Wichtigkeit halber eine eigene Zusammenkunft gewidmet werden sollte, in der diese Frage in einem wesentlich weiteren Horizont bearbeitet werden kann. Für jede und jeden, die/der Einträge wie ‘Exorzismus' (Klaus Thraede 1969, Bd. 7, 44-117) im Reallexikon für Antike und Christentum durchsieht, ist evident, dass viele höchst unterschiedliche Vorstellungen über Dämonen, Engel und andere Wesen in einer Hierarchie zwischen Göttern und Menschen sowie ihre Wirkungen auf die konkrete menschliche Lebenswelt existierten. Dabei zeigt sich, wie „international" (Religionen und Völker übergreifend) solche theoretischen Vorstellungen, genauso wie die praktischen Rituale, die halfen, Einfluss auf jenen Teil der Welt zu nehmen, waren. Es ist daher keineswegs erstaunlich, dass Engel in jüdischer und christlicher Liturgie wichtige Rollen spielen - im Gegenteil, es ist bemerkenswert, wie wenig (quantitativ - nicht qualitativ) sie angesprochen werden oder über sie gesprochen wird. Im Workshop soll es vorwiegend um Zeugnisse der zentralen Formen der Liturgien gehen, nämlich um Rituale, die systematisch verschriftlicht wurden und Gegenstand von gelehrten Abhandlungen und Regelungen durch wichtige Institutionen waren. Die vielen anderen Phänomene, wie Texte von Zauberschalen oder Berichte von Mystikern, würden ein anders ausgelegtes Methodenbündel für die Debatte erfordern. Der Rückgriff auf „zentrale" Texte hat auch den Vorteil einer höheren Relevanz für gegenwärtige Gespräche über diejenigen Liturgien, in denen sie bis heute vorkommen. In ihren wichtigsten liturgischen Texten (der Amida, bzw. des eucharistischen Hochgebets) rezitieren Juden und Christen die Worte der Engel, wie sie in Jes 6.3 überliefert sind. Dennoch ist zur Zeit nicht klar, ob sich diese Parallele einer direkten Beziehung zwischen Juden und Christen oder einem unabhängigen Rückgriff auf einen wichtigen Text der gemeinsamen Bibel verdankt. Im Gegensatz zu den mannigfaltigen Ritualen der Antike aus dem Bereich der Exorzismen ist heute gerade nicht evident, wie es dazu kam, dass Juden und Christen diesen Text rezitieren und sich in der Interpretation von Liturgien auf ihn als Schlüsselthema beziehen. Seine Verwendung scheint gerade kein Nebenphänomen dessen zu sein, was „alle" (Polytheisten, Christen, Juden, Ägypter, Perser, Religionsspezialisten, Geschäftsleute et al.) tun - nämlich in irgend einer Weise Engel zu verehren. Diese Unsicherheit in der Bestimmung der Beziehung zwischen Juden und Christen in der Antike und dem frühen Mittelalter und damit in der Beziehung zwischen den beiden Religionen in der Ursprungsepoche der Texte, deren weiter entwickelte Stufen heute noch gebraucht werden, stellt die einfache Frage an den Workshop, wo sich die Engel während der Liturgie (nach ihren Zeugnissen) „befinden", bzw. welche Funktion sie daselbst haben. Sind sie Bewohner einer unzugänglichen Sphäre oder nehmen sie mit den Gläubigen am Ritual teil? Wer hat - und warum hat er/sie es - ein religiöses Interesse daran, mit ihnen in Kontakt zu treten oder über sie zu sprechen? Sind sie Vorbilder für Haltungen, Handlungen, Äußerungen etc. während des Rituals oder werden sie durch menschliche Teilnehmer/innen am Ritual „dargestellt"? Welche Rolle spielen sie in der Gottesbeziehung der Gläubigen? In den Vorbereitungsgesprächen ergab sich, dass zu Fragen wie diesen sowohl die jüdische als auch die christliche Tradition etwas beizutragen hat, somit über die Brücke dieser und analoger Fragen in einen Dialog eintreten können. Ob unter den Ergebnissen eines solchen Dialogs eine Bestätigung oder eine Ablehnung von Theorien über konkrete Abhängigkeiten und Beeinflussungen steht, darf offen bleiben. Es ist darüber unter den Mitgliedern des Workshops nicht notwendigerweise ein Konsens zu erwarten. Sie werden aber eingeladen, diese Fragen zu stellen und die Zeugnisse derjenigen Tradition, die sie studieren und/oder in der sie leben, den jeweils „anderen" zu erschließen.

StichwörterJüdische Liturgie; Liturgie; Ritual; Judaistik; Piyyut; Engel; Christliche Liturgie; Judentum; Christentum

Projektleitung der Universität Münster

Leonhard, Clemens
Professur für Liturgiewissenschaft (Prof. Leonhard)