EXC 212 D2-4 - Martyrium und Martyriumsdiskurse im 4. Jh. n. Chr.

Grunddaten zu diesem Projekt

Art des ProjektesTeilprojekt in DFG-Verbund koordiniert an der Universität Münster
Laufzeit an der Universität Münster01.11.2012 - 31.12.2018 | 1. Förderperiode

Beschreibung

Nach den letzten Christenverfolgungen 303-305 beziehungsweise 311 n. Chr. und seit der unter Konstantin einsetzenden imperialen Förderung der Kirche gehörten christliche Martyrien im Grunde der Vergangenheit an. Tatsächlich blieb das Phänomen und ebenso die Märtyrerverehrung und die Theologie des Martyriums im 4.Jh. bedeutsam, ja gewann weitere Horizonte und Funktionen in neuen Konflikten hinzu. Es entstand eine facettenreiche Martyriumsdebatte, die in den Gemeinden, bei innerkirchlichem Streit und in Auseinandersetzung mit Paganen und Juden hohes identitätsstiftendes Potential entfaltete und zudem neue, zeitgenössische Gewalterfahrungen aufnahm. Die Valenz des Martyriums und der Märtyrerverehrung wurde nicht nur von Paganen, sondern teils auch von Kirchenführern in Frage gestellt. Die Popularität des Märtyrerkults als (quasi-paganer) Totenkult mit Festmählern (aber auch Inkubation und Divination) forderte Widerspruch von Bischöfen wie Augustinus heraus, welche das Konzept eines ‚täglichen Martyriums' jedes Christen entwickelten. Andere (Vigilantius vs. Hieronymus u.a.) eröffneten einen theologischen Diskurs über Grundlagen und Rechtfertigung der Märtyrerverehrung. Die Dynamik der spätantiken Märtyrerverehrung wurzelte vor allem in volkstümlicher Religiosität. Neue Gemeinden suchten sich über die (Re-)Konstruktion und Invention von Märtyrern und die Ausgestaltung von Märtyrerlegenden (eine neue Literaturgattung) Verehrungsorte zu schaffen und schufen eigene Liturgien, für die Märtyrerfeste und -predigten (gleichfalls ein neues Genos) konstitutiv waren. Die im 4.Jh. ‚entdeckte' Mobilität von Reliquien und Märtyrerverehrung (durch Translation, Handel) gestattete die Ausbildung einer reichsweiten Sakraltopographie. Bischöfe nutzten die Hebung oder Translation von Märtyrergebeinen als Chance, Spiritualität zu demonstrieren und Macht hinzuzugewinnen. Neue Martyrien im 4.Jh. spiegelten das anhaltend hohe Konflikt- und Gewaltpotential religiöser Auseinandersetzungen. ‚Märtyrer' produzierte vor allem die pagane Reaktion Julians, wobei dessen Opfer Objekte einer exzessiven, anti-pagane Identität stiftenden Martyrologie neuen Zuschnittes wurden. Erlittene, inszenierte und propagierte Martyrien wurden das äußere Signum der wiederkehrenden Unterdrückung und offenen Verfolgung dissentierender christlicher Gruppierungen im spätantiken Imperium. Die sich als Märtyrerkirche verstehenden nordafrikanischen Donatisten konfrontierten die Katholiken mit einem beispiellosen Märtyrerkult und stießen eine generationenlange kontroverse Martyriumsdebatte an. Das Projekt wird unter den innovativen Entwicklungen der Martyriumsdebatte und der Märtyrerverehrung im 4. Jh. diejenigen analysieren, welche ihre Entstehung und Ausprägung unmittelbar den zeitgenössischen religiösen Auseinandersetzungen und Gewalterfahrungen verdanken und hier funktionalisiert wurden: etwa als (offensive) Gründungsmythen von Gemeinden, zur Delegitimierung konkurrierender Glaubensrichtungen oder im Kampf um die Eroberung sakraler Räume.

StichwörterMartyrium; Martyriumsdiskurse
Webseite des Projektshttp://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/forschung/projekte/d2-4.html
Mittelgeber / Förderformat
  • DFG - Exzellenzcluster (EXC)

Projektleitung der Universität Münster

Hahn, Johannes
Institut für Epigraphik

Antragsteller*innen der Universität Münster

Hahn, Johannes
Institut für Epigraphik