Eine kulturübergreifende Philosophie der Menschenrechte in Gestalt einer rationalen Anthropologie, die das Inkommensurable des Humanum begründen kann, stellt ein noch immer unzureichend gewürdigtes Erbe der klassischen deutschen Philosophie dar. Kant situiert die Gottesfrage in der praktischen Philosophie, der nur ein vernunftgemäßes Hoffen die Sinnhaftigkeit persönlichen und politischen Handelns bewahren kann. Die Nachkantianer, ihrem eigenen Selbstverständnis nach die besseren Theologen, setzen die kantische Transformationsprogramm mit weit reichenden moral- und religionsphilosophischen Implikationen fort. Diese Debattenlage hinterlässt einerseits ein Vakuum, das den Siegeszug des Naturalismus seit Mitte des 19. Jahrhunderts ermöglicht, bleibt aber andererseits in ihren Stärken ungenutzt. Die Begründung universaler, das heißt interkulturell und interreligiös geltender Normativität, wie sie der kantisch-idealistische Naturrechtsdiskurs leisten will, ruht auf einem in kritischer Brechung rezipierten Christentum auf. Einer profanen Semantik erschlossen, sind dessen normative Ressourcen damit jeder Bindung an eine partikulare Religionsgemeinschaft enthoben. Die Vermittlung von Religion und Normbegründung steht dabei paradigmatisch für das zu Beginn der Moderne einsetzende kritische Zusammenspiel von traditioneller Religion und autonomer Vernunft. Es soll gezeigt werden, dass beider Synthese in Gestalt einer unverkennbar christlich imprägnierten Moral- und Subjektphilosophie für den aktuellen Menschenrechtsdiskurs sowie die Frage der Begründbarkeit universaler Normativität ungebrochen von Belang ist. Die hierfür erforderliche Rekonstruktion der damaligen Diskussionslage, besonders ihrer Hochphase von 1781 bis 1831/32, schließt dabei gleichermaßen einen Rückblick auf die bis in die Antike zurückgehende Motivlage ein wie besonders einen Ausblick auf ihre religionskritische Rezeption im 19. und ihre säkularen Reformulierungen im 20. Jahrhundert. Sprachanalytisch gereinigt und überzogener spekulativer Ansprüche entkleidet, ermöglicht das kantisch-idealistische Naturrecht zudem eine kritische Würdigung des Beitrags, den ein aufgeklärtes Christentum auch unter säkularen Vorzeichen zu einer universalen Philosophie der Menschenrechte leisten kann und will. Schließlich scheint ein Vergleich mit analogen Begründungsstrategien jüdischer oder islamischer Provenienz von großem Interesse.
Hengstermann, Christian | Geschäftsführung der Katholisch-Theologischen Fakultät |
Müller, Klaus | Professur für Philosophische Grundfragen der Theologie (Prof. Müller) |
Müller, Klaus | Professur für Philosophische Grundfragen der Theologie (Prof. Müller) |
Göcke, Benedikt | Seminar für Philosophische Grundfragen der Theologie |
Wasmaier-Sailer, Margit | Seminar für Philosophische Grundfragen der Theologie |