La Santa Muerte. Leben für den Tod.

Grunddaten zu diesem Projekt

Art des ProjektesEigenmittelprojekt
Laufzeit an der Universität Münsterseit 01.10.2014

Beschreibung

La Santa Muerte. Leben für den Tod. In Mexiko stehen heute am Ende einer langen Reihe von Zeiterfahrungen (Wolfgang Eßbach 2014: Religionssoziologie I) wie Eroberung und Kolonialisierung u.a. soziale und politische Konflikte, Migration, illegaler Drogenhandel, mangelhafte öffentliche Sicherheit, eine hohe Rate an Tötungsdelikten, Straflosigkeit und Organisierte Kriminalität. Diese Zeiterfahrungen produzieren in Mexiko und auch in den USA Angst, Unruhe, Gewalt und Diskussionsbedarf. Vor diesem Hintergrund ist um 2001 eine religiöse Figur auf die öffentliche Bühne getreten: La Santa Muerte, der Heilige Tod, eine weibliche (Spanisch: La muerte), zunehmend populär und sichtbar werdende Todesdarstellung. La Santa Muerte ist eine vermenschlichte Todesdarstellung, ein Bild eines menschlichen Skeletts, das in Gewänder gehüllt, ähnlich katholischen Heiligen, adressiert und angebetet werden kann. Jedoch ist die Todesdarstellung darüber hinaus stark in andere Kulte, religiöse und Heil versprechende (magische) Praktiken eingebunden, z.B. Brujería (Hexerei) oder fusioniert mit Praktiken aus Santería und Palo Mayombe. Diese Verwendung La Santa Muertes ist, da es sich um einen jungen, kaum institutionalisierten Glauben handelt, regional stark divergierend, wandelbar und in Transformation begriffen. Die soziologischen Forschungsfragen, mit denen sich das Projekt an einer Schnittstelle von Biografieforschung und Religionssoziologie bewegt, sind: Wie wirkt La Santa Muerte als Todesfigur im Leben ihrer Anhänger*innen? Was für ein Phänomen ist diese religiöse Figur und wie kann ihre Popularität mit Zeiterfahrungen in US-amerikanisch-mexikanischen borderlands zusammen gebracht werden? Das Projekt hat einen Doppelfokus oder ist dialektisch und hermeneutisch angelegt, denn mit der Untersuchung des sozialen Phänomens wird auch religionssoziologische Theoriebildung betrieben. Das theoretische Interesse mit dem sich dem empirischen Gegenstand zugewandt wird, liegt auf dem von Ulrich Oevermann und Mitforschenden entwickeltem Strukturmodell von Religiosität, besonders auf dem Begriff der Bewährung. Es gilt zu verstehen was Bewährung angesichts einer religiösen Todesfigur sein kann. Denn, in und mit dem Kult um La Santa Muerte ist der Tod oder die menschliche Sterblichkeit von hoher Präsenz, geradezu ikonisch und seine Adressierung eine Praxis religiösen Handelns. Der das Ende des Lebens bedeutende Bewährungshorizont Tod hat einen Platz auf der ganz konkreten Praxisebene bekommen. Dafür lassen sich bei den Anhänger*innen bisher verschiedene Gründe ausmachen. Einer scheint zum bisherigen Zeitpunkt der Datenauswertung zu sein, dass viele sich in prekären Lebenslagen befinden und in diesen Unvorhersehbarkeiten stärker ausgesetzt sind, als das für Menschen aus der mexikanischen und US-amerikanischen Oberschicht gilt. Sie sind dadurch verwundbarer, womit eine erhöhte Präsenz der Möglichkeit des Sterbens (und damit eine Verkürzung der Bewährungsstrecke), die der Extremfall der einleitend skizzierten sozialen und politischen Situation ist, einhergeht. La Santa Muerte schien während der bisherigen Datenerhebungen als eine Schutz bietende Instanz, die im Hier und Jetzt, im Leben, angebetet, zu Rate gezogen und um Schutz, Hilfe und Beistand gebeten wird. Für meine Arbeit ist es wichtig, die Gläubigen für sich sprechen zu lassen und ihre Erfahrungen, Lebensgeschichten und Erzählungen zur Grundlage der Theoriebildung zu machen: Während meiner Feldforschungen in den USA und in Mexiko habe ich Interviews erhoben, Beobachtungen angestellt und an religiösen Veranstaltungen teilgenommen. Diese Daten unterziehe ich objektiv hermeneutischen Analysen um Licht ins Dunkel der religionssoziologischen Verortung und Erklärung La Santa Muertes und ihrer Verehrung zu bringen und das Handeln der Anhänger*innen zu verstehen. Die Vorstellungen von Lebenszeit der Anhänger*innen, ihre Lebensplanung und ihre Erzählungen der eigenen Lebensgeschichten gilt es zu interpretieren und mit den Implikationen von Bewährung und dem Strukturmodell von Religiosität zu konfrontieren.

StichwörterLa Santa Muerte; Heilige Tod; Mexiko; Bewährung; Strukturmodell von Religiosität; Religionssoziologie; Dissertation

Projektleitung der Universität Münster

Müller, Silke
Exzellenzcluster 2060 - Religion und Politik. Dynamiken von Tradition und Innovation