Chronischer Pruritus (CP) ist ein hochprävalentes Symptom vieler verschiedener Erkrankungen und die zugrundeliegenden pathobiologischen Mechanismen sind nach wie vor unklar. CP stellt für die Patienten weltweit einen hohen Leidensdruck dar und beeinträchtigt ihre Lebensqualität erheblich. Dennoch fehlt es an effektiven Therapiemodalitäten, da nur wenig über die zugrundeliegenden Mechanismen bekannt ist. Dies gilt insbesondere für die Mechanismen, die am Juck-Kratz-Zyklus beteiligt sind. Kratzen lindert den Juckreiz und ist ein automatischer Reflex. Bei CP kann es zu einem dauerhaften Kratzverhalten mit einer nachfolgenden Schädigung der Hautintegrität, -anatomie und -funktion führen. Die Patienten berichten, dass das Kratzen weiteren Juckreiz auslösen kann; in der Folge wird das Kratzen weiter gefördert. Sobald kratzinduzierte Hautläsionen vorhanden sind, kann auch die Wundheilung aufgrund der Hochregulierung von Interleukinen wiederum Juckreiz und Kratzen induzieren. Schließlich kann mechanischer Stress, der durch das Kratzverhalten induziert wird, die Homöostase und den Metabolismus von Keratinozyten verändern. Es wurde gezeigt, dass Kratzen das Remodelling von Keratinfilamenten beeinflusst und eine Hyperproliferation von Keratinozyten induziert. Es scheint wahrscheinlich, dass das Kratzen somit einen großen Einfluss auf die Chronizität des Pruritus hat, unabhängig von der zugrundeliegenden ätiologie des Symptoms. Die zellulären und molekularen Faktoren, die mit permanentem Kratzen assoziiert sind, sind noch nicht eingehend untersucht und sollen in diesem Projekt untersucht werden. Wir konnten bereits zeigen, dass chronisch gekratzte Haut eine veränderte Neuroanatomie aufweist. Während die intraepidermale Nervenfaserdichte bei juckender Haut unabhängig vom Kratzverhalten reduziert zu sein scheint weist die chronisch gekratzte Haut ein deutlich verstärktes Verzweigungsmuster auf. In gesunder Haut von CP-Patienten und Kontroll-Probanden kommen dabei im Wesentlichen lineare Nervenfasern vor, sind bei den juckenden aber nicht chronisch gekratzten Hautarealen schon verzweigter und dieses steigert sich bei den chronisch gekratzten Arealen. Dies konnten wir sowohl für die atopische Dermatitis (inflammatorisch) als auch für den brachioradialen Pruritus (neuropatisch) zeigen. Die Effekte scheinen bei der kratz-assoziierten chronisch nodulären Prurigo (syn. Prurigo nodularis) am stärksten zu sein. Untersuchungen zur Genexpression in Keratinozyten mit Fokus auf die Neuroplastizität ergaben, dass insbesondere die Balance von SEMA3A (einem Nerven-repulsierendem Gen) und NGF (Nerven-fördernd) eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung der Neuroanatomie zu spielen scheint. Auch auf Ebene der globalen Genexpression (RNA Sequenzierung) unterscheidet sich das chronisch gekratzte Areal von den anderen. Es scheint, dass die meisten deregulierten Gene zwischen chronisch gekratzten Arealen und den anderen Arealen zu finden sind. Die Befunde der Nervenfaseranatomie und Genexpression werden im weiteren Verlauf durch die Analyse der Nervenfunktion ergänzt.
Agelopoulos, Konstantin | Klinik für Hautkrankheiten - Allgemeine Dermatologie und Venerologie - |
Fernandes Lobo Pereira, Manuel Pedro | Klinik für Hautkrankheiten - Allgemeine Dermatologie und Venerologie - |
Ständer, Sonja | Klinik für Hautkrankheiten - Allgemeine Dermatologie und Venerologie - |
Ständer, Sonja | Klinik für Hautkrankheiten - Allgemeine Dermatologie und Venerologie - |