Arithmetische Gruppen sind algebraische Strukturen, die in vielen Bereichen der Mathematik auftreten, z.B. in Zahlentheorie, Topologie, Darstellungstheorie und natürlich Gruppentheorie. Sie wurden ursprünglich zur Untersuchung quadratischer Gleichungen genutzt, beschreiben aber auch die Symmetrien von wichtigen geometrischen Objekten. Obwohl sie schon lange untersucht werden, sind viele wichtige Fragen nach wie vor offen. Insbesondere wissen wir noch erstaunlich wenig über ihre Kohomologie, ein Konzept, mit dessen Hilfe man Invarianten von Gruppen in verschiedenen Dimensionen misst. Für „kleine“ arithmetische Gruppen, das heißt Gruppen von niedrigem Rang, kann man diese Invarianten mit Computern berechnen. Mit zunehmendem Rang und in höheren Dimensionen wird diese Berechnung aber sehr schnell zu aufwendig. Homologische Stabilitätstechniken bieten einen starken Ansatz, um diese Komplexität zu beherrschen. Sie ermöglichen es, auf einen Schlag Aussagen über die Kohomologie einer unendlichen Familie von Gruppen wachsenden Rangs zu tätigen. Klassischerweise sind diese Techniken allerdings nur auf niedrig-dimensionale Kohomologie anwendbar. Im Unterschied dazu wird sich dieses Projekt mit der noch weitgehend unbekannten hoch-dimensionalen Kohomologie arithmetischer Gruppen befassen. In diesem Bereich gab es diverse spannende Entdeckungen in den letzten Jahren. Diese beschränken sich zurzeit auf wenige Gruppen, vor allem die spezielle lineare Gruppe und die symplektische Gruppe über den ganzen Zahlen. Faszinierenderweise zeichnen sich in den Resultaten aber gewisse Muster ab. Dieses Projekt wird diese Muster und ihre Grenzen systematisch untersuchen. Hierbei werden Ergebnisse angestrebt, welche für viele Typen von Gruppen auf einmal gültig sind, nämlich für alle Chevalley-Gruppen. Dieser neue Ansatz wird zum ersten Mal ein konzeptionelles Verständnis hoch-dimensionaler Kohomologie in einem breiten Kontext erlauben. Technisch möglich werden diese Untersuchungen durch ein Dualitätsresultat von Borel–Serre. Es erlaubt es einem, hoch-dimensionale Kohomologie mittels niedrig-dimensionaler Homologie zu berechnen, welche im Prinzip deutlich zugänglicher ist. Diese Dimensionsreduktion ist allerdings nur durch einen Wechsel zu Koeffizienten im sogenannten Steinberg-Modul möglich. Ein gutes Verständnis dieses Objekts ist deshalb das Schlüsselstück des Projekts. Um dieses Verständnis zu erlangen, wird das Zwischenspiel von algebraischen und geometrischen, genauer gesagt topologischen, Methoden zentral sein. Für die topologischen Methoden spielen polyedrische Komplexe und ihre Zusammenhangseigenschaften eine wichtige Rolle. Auf der algebraischen Seite werden wir insbesondere Verbindungen zur algebraischen K-Theorie von Ganzheitsringen betrachten.
Brück, Benjamin | Professur für Algebra und Modelltheorie (Prof. Tent) |
Brück, Benjamin | Professur für Algebra und Modelltheorie (Prof. Tent) |