Fellow an der DFG-Kollegforschungsgruppe 2767: "Imaginarien der Kraft" zum Thema: Müdigkeit. Zur Kulturgeschichte einer Beharrungskraft

Grunddaten zu diesem Projekt

Art des ProjektesGefördertes Einzelprojekt
Laufzeit an der Universität Münster01.10.2025 - 31.03.2026

Beschreibung

Müdigkeit ist beharrlich. Die Widerständigkeit ihrer Anökonomie ist in philosophischen, ökonomischen, mechanischen, physiologischen sowie psychiatrischen Kontexten ein historisch wie gegenwärtig virulentes Thema. Müdigkeit gilt als Widerstand, aber auch als potentielle Energie, als eine Art aktive Passivität (Seel 2014). Mit Müdigkeit lässt sich daher eine kritische Gegenbeobachtung verbinden: Als Widerstandskraft der Beharrung und Trägheit konfrontiert sie Biopolitik und Leistungsgesellschaft mit kapitalismuskritischen Denkfiguren einer negativen Potentialität (Agamben 1998). Müdigkeit lässt sich vor diesem Horizont als ein Phänomen des insistenten ‚Sein-Lassens‘ beschreiben, das im Diskursfeld benachbarter Phänomene wie Erschöpfung, Fatigue, Melancholie, aber auch Faulheit, Langeweile, Nichtnutz u.a. siedelt (Schäfer 2016; Carduff/Felten 2013; Felten/Pankow 2015), in dem Müdigkeit bislang nicht explizit als Widerstandskraft extrapoliert worden ist. Müdigkeit, so meine weiterführende These, setzt zudem – als Doppelphänomen von fatigatio und lassitudo – ein spezifisch poetisches Potential frei. Mit ihren Eigenschaften des Potentiellen und Ephemeren tritt auch im ästhetischen Feld die Müdigkeit als anökonomische Figur auf, deren poetische und philosophische Dimensionen mich interessieren. Diese zeichnet sich bereits im 17. Jahrhundert (Moralphilosophie: Acedia) und 18. Jahrhundert (französischer Materialismus) ab, wird im langen 19. Jahrhundert aufgrund von massiv veränderten Arbeits- und Produktionsbedingungen der Industrialisierung virulent (Rabinbach 1992), prägt die Psychiatriediskurse des 20. Jahrhundert und zeigt sich gerade heute wieder auf sozial-ethischen Ebenen („Wir sind mütend!“). Das Projekt fokussiert ausgehend von der Literatur die politischen, ethischen, medizinischen Implikationen und die spezifischen Korrelationen von Müdigkeit, Ästhetik und Anthropologie.

StichwörterLiteratur
Webseite des Projektshttps://www.imaginarien-der-kraft.uni-hamburg.de/fellows/fellows-2023-2027/senior-fellows/eder.html
Mittelgeber / Förderformat
  • Universität Hamburg (UHH)