Sorgende Wissensproduktion. Ein feministisch-geographischer Beitrag
Grunddaten zum Promotionsverfahren
Promotionsverfahren erfolgt(e) an: Promotionsverfahren an der Universität Münster
Zeitraum: 01.10.2019 - 30.09.2025
Status: abgeschlossen
Promovend*in: Hübl, Susanne
Promotionsfach: Geographie
Abschlussgrad: Dr. phil.
Form der Dissertationsschrift: kumulativ
Verleihender Fachbereich: Fachbereich 14 - Geowissenschaften
Betreuer*innen: Dzudzek, Iris
Gutachter*innen: Dzudzek, Iris; Schurr, Carolin
Beschreibung
Geographische Wissensproduktion war von jeher macht- und auch gewaltvoll. Feministische, dekoloniale, machtkritische und wissenschaftstheoretische Ansätze in der Geographie zeigen, wie vermeintlich apolitische und neutrale bevölkerungs- oder gesundheitsgeographische Techniken des Zählens, Kategorisierens und Visualisierens dazu führen, dass vor allem marginalisierte Personen in ihren verkörperten Erfahrungen wissenschaftlich nicht erfasst oder sogar unsichtbar gemacht werden. Solche „epistemischen Ungerechtigkeiten“ (re-)produzieren permanent verkörperte Ungleichheiten und werden in den gegenwärtig krisenhaften und strukturell sorglosen Zeiten von Pflegenotstand, Sorgekrise und gesellschaftlicher Polarisierung noch verstärkt. Angesichts dieser sorglosen Zeiten erarbeite ich in der vorliegenden Dissertation das Programm einer „sorgenden Wissensproduktion“. Für dessen Ausgestaltung ist es notwendig – so meine These in dieser Arbeit – von radikaler Sorge her zu denken. Denn im radikalen Sorgen entsteht nicht nur Wissen über die kontextspezifischen Verhältnisse, die Menschen strukturell un- bzw. unterversorgt lassen, sondern auch verkörpertes Wissen darüber, wie sorgende Alternativen ausgebildet werden können, die ebendiese Verhältnisse zu verändern suchen. Grundlage hierfür ist ein relationales Verständnis von care, welches Sorge nicht nur als emotionale oder praktische Tätigkeit, sondern auch als eine prozesshafte, relationale Form des Erkennens von Welt begreift (Kapitel 2). Das Programm der „sorgenden Wissensproduktion“ beruht auf zwei Schwerpunkten, die ich in insgesamt drei einschlägigen wissenschaftlichen Fachartikeln und zahlreichen weiteren ergänzenden wissenschaftlichen und Praxisbeiträgen publiziert habe. Im ersten Schwerpunkt (Kapitel 3) entwickle ich ein konzeptionelles Forschungsprogramm „sorgender Wissensproduktion“ aus einer feministisch-wissenschaftstheoretischen Perspektive. Dieses entwickle ich durch die konkrete Auseinandersetzung mit zwei machtvollen Feldern geographischer Wissensproduktion – der Bevölkerungs- und Gesundheitsgeographie – und durch die Weiterentwicklung von worlding als Erkenntnisperspektive. Auf Grundlage dessen präsentieren die Fachartikel I und II in der „Geographica Helvetica“ und in „sub\urban. Zeitschrift für kritische Stadtforschung“ einen konzeptionellen Beitrag zur Entwicklung neuer Forschungsansätze in der Bevölkerungs- und Gesundheitsgeographie, welche die bestehenden gewaltvollen Leerstellen in der humangeographischen Wissensproduktion über verkörperte Ungleichheiten bearbeiten. Der zweite Schwerpunkt (Kapitel 4), dessen Ergebnisse in Fachartikel III in „sub\urban. Zeitschrift für kritische Stadtforschung“ veröffentlicht wurden, entwickelt am Beispiel einer solidarischen Stadtteilkantine die „Sorgende Ethnographie“ als methodologische Herangehensweise zur Erforschung, aber auch zur Ermöglichung von bislang übersehenen Sorgebeziehungen als Grundlage einer Sorgenden Stadt weiter. Insgesamt leiste ich in der vorliegenden Dissertation mit dem Programm einer „sorgenden Wissensproduktion“ einen Beitrag zu aktuellen Debatten der Feministischen Geographien. Durch die praktische Anwendung und Erprobung dieses Programms am Beispiel der von bevölkerungsgeographischen Erhebungsmethoden, dem Zusammenhang von Körpern und krankmachenden Verhältnissen und der Frage nach Versorgung in der Stadt leistet die Arbeit darüber hinaus Beiträge zur konzeptionellen und forschungspraktischen Weiterentwicklung aktueller Konzepte der kritischen Bevölkerungs-, Gesundheits- und Stadtgeographie.
Promovend*in an der Universität Münster
Hübl, Susanne | Professur für Anthropogeographie mit dem Schwerpunkt Bevölkerungs- und Sozialgeographie (Prof. Reuber) |
Betreuung an der Universität Münster
Dzudzek, Iris | Professur für Kritische Stadtgeographie (Prof. Dzudzek) |