Die Organisation religiöser Praxis im hellenistisch-römischen Ephesos: Urbane Kulträume und ihre Vernetzungen am Beispiel einer antiken Metropole und ihres Umfeldes
Grunddaten zum Promotionsverfahren
Promotionsverfahren erfolgt(e) an: Promotionsverfahren an der Universität Münster
Zeitraum: 01.06.2021 - 31.05.2024
Status: laufend
Promovend*in: Derichs, Jonas
Promotionsfach: Alte Geschichte
Abschlussgrad: Dr. phil.
Verleihender Fachbereich: Fachbereich 08 - Geschichte/Philosophie
Betreuer*innen: Prof. Dr. Patrick Sänger
Beschreibung
Die im westlichen Kleinasien gelegene Metropole Ephesos bietet sich als Untersuchungsfeld für religiöse Praxis in der griechisch-römischen Antike nicht nur aufgrund der mit ihr untrennbar verbundenen Artemis Ephesia, deren Heiligtum über die Jahrhunderte hinweg zum Weltwunder avancierte, sondern auch wegen der Fülle verschiedenster Gottheiten und Kulte „im Schatten der alles überstrahlenden Ephesia“ an, die sich durch die reiche archäologische, inschriftliche, numismatische und literarische Evidenz identifizieren und analysieren lassen.
Das von mir durchgeführte Promotionsvorhaben möchte – im Gegensatz zu den in der altertumswissenschaftlichen Forschung zu Ephesos dominanten Einzeluntersuchungen zu archäologisch evidenten Kulträumen oder spezifischen Kulten sowie ihrer sozialen Verortung – anhand der heuristischen Modelle „urban religion“ und „Lokalismus“ exemplarisch untersuchen, welche Mechanismen und Akteure dort im historischen Vergleich hinter der Entstehung organisierter Religion standen. Durch mein Vorgehen soll die Dynamik zwischen individuellen Akteuren, Gruppen und institutionalisierten Strukturen in den Blick geraten: religiöses Handeln und das sich hierdurch konstituierende religiöse Feld stellen nicht länger starre Begrifflichkeiten dar, sondern werden als kontinuierlich „im Werden“ befindliche Produkte gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse verstanden und ernst genommen.
Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der begrenzt verfügbaren Ressource und Analysekategorie "Raum". Drei große Themenkomplexe bieten sich hierbei zur Untersuchung an:
Da Ephesos erstens zu Beginn des 3. Jh.s v. Chr. verlegt wurde, mussten sowohl neue Verbindungen zu den bestehenden Kulträumen hergestellt, als auch neue an die veränderte Topographie des Stadtraumes angepasste Kulträume geschaffen werden. Gleichzeitig expandierte die Stadt im Hellenismus und vergrößerte ihr Territorium in erheblichem Maße. Welche Reflexe hatten diese für die Stadtgeschichte so entscheidenden Prozesse auf religiöses Handeln? Wer verfügte über die Autorität Innovationen in das religiöse Feld einzuführen?
Zweitens lass sich spätestens mit Beginn der augusteischen Zeit Veränderungen im religiösen Feld von Ephesos identifizieren. Hier soll differenziert analysiert werden, inwiefern diese Änderungen auf "neue, romanisierte" Eliten zurückzuführen sind oder inwiefern sich "alte" Eliten den veränderten Rahmenbedingungen angepasst haben. Inwiefern prägte das veränderte Stadtbild allerdings auch das religiöse Handeln von Akteuren jenseits der lokalen Oberschicht?
Schließlich stellt die Hohe Kaiserzeit nicht nur aufgrund ihres Quellenreichtums einen wichtigen Teil der Untersuchung dar. Im Rahmen von erhaltenen Neokorien ändert sich das Stadtbild in erheblichem Maße und hinterlässt seine Spuren auch in Ämterhierarchien oder traditionellen Institutionen und Kulten. Trotz der Vereinnahmung großer Anteile des urbanen Raums durch den Kaiserkult entsteht der Eindruck eines vitalen religiösen Feldes. Zwischen welchen Kulträumen bestanden hierbei Grenzen und wo wurde zusammen gearbeitet? Wie gelangen oder scheiterten Innovationen? Wer stellte sich aus welcher Motivation heraus als besonders traditionell dar?
Betreuung an der Universität Münster